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Albert Einstein und Ulm

Porträt von Albert Einstein

© Ullsteinbild

Albert Einstein. Mehr als nur ein Name. Physiker. Genie. Popstar der Wissenschaft. Philosoph und Humanist. Weltversteher und Welterklärer. Auf Augenhöhe mit Kopernikus, Galilei oder Newton.

Und: Albert Einstein - Ulmer!

Der wohl bekannteste Wissenschaftler unserer Zeit wurde tatsächlich am 14. März 1879 in der Bahnhofstraße 20 in Ulm geboren. Albert Einstein lebte nur 15 Monate in der Donaustadt. Seine weit verzweigte Familie jedoch - 18 Cousins und Cousinen Einsteins lebten zeitweise in Ulm - war ein angesehenes und fest verwurzeltes Mitglied der Stadtgesellschaft. Was vielleicht auch die dauerhafte Verbundenheit Einsteins mit seiner Geburtsstadt erklärt,  die er in einem Brief an die Ulmer Abendpost am 18. März 1929, kurz nach seinem 50. Geburtstag, folgendermaßen beschrieb:

„Die Stadt der Geburt hängt dem Leben als etwas ebenso Einzigartiges an wie die Herkunft von der leiblichen Mutter. Auch der Geburtsstadt verdanken wir einen Teil unseres Wesens. So gedenke ich Ulms in Dankbarkeit, da es edle künstlerische Tradition mit schlichter und gesunder Wesensart verbindet."

Albert Einstein an einem Stehpult

© ullstein bild - Heritage Images

War Einstein ein "Jahrhundert-Physiker"? Daran besteht kein Zweifel. Im "Wunderjahr" (Annus mirabilis) 1905 veröffentlichte er neben seiner Dissertation vier bahnbrechende Arbeiten. Jede einzelne von ihnen war nobelpreiswürdig und hätte ihn zu einem Physiker von Weltrang gemacht: die spezielle Relativitätstheorie, die Lichtquantenhypothese ("Der photoelektrische Effekt", für die er 1922 den Nobelpreis erhielt), die Bestätigung des molekularen Aufbaus der Materie durch die "Brownsche Bewegung" und die quantentheoretische Erklärung der spezifischen Wärme fester Körper.

Jede dieser Arbeiten begründete eine völlig neue Sichtweise auf dem jeweiligen Gebiet der Physik - und zusammen lösten sie alle Probleme, Rätsel und Widersprüche der klassischen Physik auf. Eine sagenhafte, in der modernen Wissenschaft einzigartige Leistung, die er "nach Feierabend"- zu dieser Zeit war der erst 26-jährige Einstein in Vollzeit am Patentamt in Bern beschäftigt - vollbringt. Mit Bleistift und Papier und ohne den Apparat einer Universität, ohne Assistenten, Labor und Fachbibliotheken.

Einsteins physikalische Problemstellungen haben um die Jahrhundertwende auch
zahlreiche andere bedeutende Wissenschaftler bewegt. Keinem seiner Kollegen jedoch gelang es in ähnlicher Weise die Vielfalt der Naturerscheinungen als einen einheitlichen Zusammenhang zu denken, davon allgemeine Prinzipien abzuleiten und die „Einheit der Natur“ in mathematische Formeln zu übersetzen. Damit wurde Albert Einstein zum Begründer des modernen naturwissenschaftlichen Weltbildes.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand eben dieser Weltbildbegriff im Fokus naturwissenschaftlichen Arbeitens. Die Lösung von physikalischen Teilproblemen sollte letztlich in eine zusammenfassende Darstellung der Welt, wenn man so will, in eine "Weltformel" münden. Einstein verschrieb sich wie kein anderer diesem ganzheitlichen Ansatz. Die Formulierung der "Allgemeinen Relativitätstheorie" im Jahr 1916 war ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.
Die letzten 20 Jahre seines Lebens beschäftigte er sich mit der "Einheitlichen Feldtheorie". Ziel war es, eine Theorie zu formulieren, in der die Gravitation und andere Wechselwirkungen, insbesondere der Elektromagnetismus, in einheitlicher Weise beschrieben werden. Einstein gelang dies bis zu seinem Tode nicht. Überhaupt den Versuch unternommen zu haben, entsprach aber seinem eigenen Anspruch an die Wissenschaft.

Zu sagen, Einstein war seiner Zeit voraus, wäre eine maßlose Untertreibung. Ein Beispiel gefällig? Es dauerte sage und schreibe 99 Jahre - in der Wissenschaft eine Ewigkeit - bis es Forschern 2015 gelang, Gravitationswellen zu messen und damit endlich zu beweisen, was Einstein bereits 1916 wusste.

Albert Einstein wird von Reportern umringt

© ullstein bild - Imagno

War Einstein ein "Nerd"? Als Wissenschaftler, ja! Er bewegte sich gedanklich in Themengebilden und physikalischen Welten, die kein anderer in seiner Zeit zu erschließen vermochte.
Als Mensch war er jedoch alles andere als einseitig interessiert. Einstein zeigte bereits früh Interesse an Philosophie, hatte eine Leidenschaft für Literatur und Musik. Er war zwar nicht im eigentlichen Sinne gesellig, aber doch gerne in Gesellschaft anderer Menschen. Heute würde man ihn wohl einen Bildungsbürger nennen oder einen Humanisten.

Einsteins wissenschaftliche Hypothese, dass alle Phänomene der Natur in Verbindung zueinander stehen und nur in ihrer Gesamtheit ihre Wirkung entfalten, übertrug er auch auf gesellschaftliche und politische Fragen. Er formulierte Ideen zu Regierungs- und Wirtschaftsformen, äußerte sich zu ethischen und philosophischen Fragen, prangerte wiederholt nationalistische, rassistische und militaristische Tendenzen öffentlichkeitswirksam an. Einstein war ein zutiefst moralischer Mensch, der die Verantwortung der Wissenschaft gegenüber der Menschheit sehr ernst nahm. Forschung um der Forschung willen, ohne ethisches Fundament, war für ihn undenkbar. Das führte ihn im Jahr 1939 in ein moralisches Dilemma. Nach Otto Hahns erfolgreicher Kernspaltung im Jahr zuvor, befürchtete er den Bau einer atomaren Waffe durch das nationalsozialistische Deutschland. Der Pazifist Einstein entschloss sich schweren Herzens, einen Brief an den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt zu unterzeichnen, der diesen aufforderte, den Bau einer Atombombe zu veranlassen. Einstein selbst war nach heutiger Quellenlage nicht aktiv an der Entwicklung beteiligt - an der moralischen Mitverantwortung trug er dennoch bis zu seinem Lebensende schwer.

Albert Einstein leistete mit seinem Lebenswerk einen unschätzbar großen Beitrag dazu, uns unsere Welt besser verstehen zu lassen. Und er kämpfte gleichzeitig leidenschaftlich dafür, das Leben auf ihr zu verbessern. Das war sein fundamentales Alleinstellungsmerkmal als Forscher. Diese beispielgebende Kombination aus wissenschaftlicher Brillanz und Moralität ist wohl auch ein wesentlicher Grund für seine bis heute ungebrochene Popularität.

Ist damit das Phänomen Einstein umfassend erklärt? Natürlich nicht. Albert Einstein hatte so viele Facetten, so viele Talente und Fähigkeiten. Nur die Gesamtheit aller ergibt das komplette Bild. Nur die Gesamtheit. Wie eben auch bei Einsteins grundsätzlicher Idee von der Physik und unserer Welt. Zufall? Vielleicht.

Ein Brief Albert Einsteins an den damaligen Ulmer Oberbürgermeister Emil Schwamberger

Das Verhältnis Albert Einsteins zu Ulm könnte man als reserviert, aber höflich beschreiben. Was nicht allzu sehr verwundern mag: Einstein lebte bekanntlich nur 15 Monate hier und hatte wohl keine Erinnerung an seine Zeit in Ulm. Reserviert wohl aber auch, weil er sich generell nicht viel aus weltlichen Ehrungen machte. Als ihm die Stadt Ulm im Jahre 1920 "Glückwünsche der Stadt" übermittelte - immerhin noch zwei Jahre bevor ihm der Nobelpreis verliehen wurde - antwortete Einstein in einem Dankesschreiben und lobte darin die „erfolgreiche und wohltätige Bodenpolitik" Ulms, die „im In- und Auslande vorbildlich gewirkt hat".

Die erste Interaktion zwischen Stadt und ihrem berühmtesten Sohn "lief also nicht schlecht". Auch auf die Benennung einer Straße Ulms mit seinem Namen, die ihm die Stadt in einem Glückwunschschreiben zu seinem 50. Geburtstag mitteilte, reagierte der Nobelpreisträger 1929 artig und mit dem ihm eigenen Humor: „Von der nach mir benannten Straße habe ich schon gehört. Mein tröstlicher Gedanke war, dass ich ja nicht für das verantwortlich bin, was darin geschieht."

Machtergreifung der Nationalsozialisten im 1933 - alles ändert sich

Diese höfliche, wenngleich auch eher oberflächliche Interaktion, kam im Jahr 1933 an ihr jähes Ende. Die Nationalsozialisten übernahmen die Macht in Deutschland. Der Jude Albert Einstein hatte bereits früh vor diesen faschistischen Tendenzen gewarnt und kehrte von einer Vortragsreise in den USA, wo er seit 1930 drei Monate pro Jahr in Princeton lehrte, nicht mehr zurück.
Bereits im März 1933 veröffentlichte er folgendes "Bekenntnis":

„Solange mir eine Möglichkeit offen steht, werde ich mich nur in einem Lande aufhalten, in dem politische Freiheit, Toleranz und Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetze herrschen. Zur politischen Freiheit gehört die Freiheit der mündlichen und schriftlichen Äußerung politischer Überzeugung, zur Toleranz die Achtung vor jeglicher Überzeugung eines Individuums.
Diese Bedingungen sind gegenwärtig in Deutschland nicht erfüllt. Es werden dort diejenigen verfolgt, welche sich um die Pflege internationaler Verständigung besonders verdient gemacht haben, darunter einige der führenden Künstler. Wie jedes Individuum, so kann auch jeder gesellschaftliche Organismus psychisch krank werden, besonders in Zeiten erschwerter Existenz. Nationen pflegen solche Krankheiten zu überstehen. Ich hoffe, dass in Deutschland bald gesunde Verhältnisse eintreten werden und dass dort in Zukunft die großen Männer wie Kant und Goethe nicht nur von Zeit zu Zeit gefeiert werden, sondern dass sich auch die von ihnen gelehrten Grundsätze im öffentlichen Leben und im allgemeinen Bewusstsein durchsetzen."

Die nationalsozialistischen Machthaber in Ulm reagierten: Noch im gleichen Monat wurde die Einsteinstraße in "Fichtestraße" umbenannt. Im folgenden Jahr wurde Albert Einstein die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt.

Drehte sich der Konflikt zwischen Einstein und seinem Geburtsland zu Beginn also mehr oder weniger ausschließlich um politische Fragen, wurden die Probleme der Juden in Deutschland in den kommenden Jahren wesentlich existenzieller. 1933 bereits begannen die Boykotte gegen jüdische Geschäfte, 1935 folgten die "Nürnberger Gesetze" (Rassengesetze) und 1938 die Reichspogromnacht. In welch unvorstellbarer Grausamkeit, dem Holocaust, diese Entwicklungen letztendlich münden sollten, war damals jedoch scheinbar nicht für alle Betroffenen absehbar. Und doch wandten sich bereits in den Jahren vor Ausbruch des 2. Weltkriegs eine ganze Reihe Ulmer Verwandte an Einstein und baten um Hilfe. Einstein tat was er konnte, lieferte Bürgschaften, verfasste Empfehlungsschreiben und half auf diesem Weg vielen Familienmitgliedern, Deutschland noch vor Beginn der Katastrophe wohlbehalten zu verlassen. Für Lina Einstein, Bertha Hofheimer, Marie Wessel, Hugo Moos und Julius Moos - allesamt Cousinen und Cousins von Albert Einstein - gab es allerdings keine Rettung. Sie wurden von den Nationalsozialisten ermordet.

Ein Brief Albert Einsteins an Ulms Oberbürgermeister Pfizer

Bereits kurz nach Kriegsende, im Juli 1945, wurden in Ulm die Straßennamen wieder umbenannt und damit versucht, die Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus aus dem Stadtbild zu entfernen. Aus der Fichtestraße wurde wieder die Einsteinstraße. Einstein soll ein Jahr später davon erfahren und im Scherz vorgeschlagen haben: "Man sollte einen neutralen Namen wie "Windfahnenstraße" wählen - das wäre dem politischen Wesen der Deutschen besser angepasst und benötigte keine Umtaufen im Laufe der Zeit".

Von Seiten der Ulmer Stadtverwaltung gab es in den folgenden Jahren immer wieder Versuche, die Beziehungen zu Albert Einstein zu verbessern. Wollte man Schuld wiedergutmachen? Wollte man unterbewusst eine Art Absolution erwirken? Oder war es der ehrliche Versuch, nach zwölf Jahren unfassbarer Verbrechen, endlich wieder das Richtige zu tun? Wahrscheinlich war es eine Kombination aller dieser denkbaren Beweggründe. Aus heutiger Sicht mag es eher überraschen, dass Einstein so kurz nach dem Holocaust überhaupt dazu bereit war, die Kommunikation mit der Stadt Ulm wieder aufzunehmen. Doch er tat es. Er antwortete stets auf die jährlich von der Stadt an ihn gesendeten Geburtstagsglückwünsche. Zwar lehnte er die Annahme der Ehrenbürgerschaft mit dem Hinweis auf die im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen an seinen Glaubensbrüdern ab. Er tat dies aber mit einem persönlichen, vertraulichen Brief an den Oberbürgermeister und ersparte den Ulmer Stadtoberen damit eine öffentliche Zurechtweisung.

Als er sich 1949 beim damaligen Oberbürgermeister Theodor Pfizer für die Übersendung einer Broschüre über die Feierstunde zu seinem 70. Geburtstag schriftlich bedankte, kann man vorsichtig versöhnliche Töne heraus hören: „Wir leben ja in einer Zeit tragischer und verwirrender Ereignisse, sodass man sich doppelt freut über jedes Zeichen humaner Gesinnung."

Wahr ist aber auch, dass Einstein Ulm nie wieder betreten hat. Man mag es sehr gut verstehen.

Das Einsteinhaus - Volkshochschule

Ulm hat Albert Einstein nicht vergessen. An mehreren Stellen in der Stadt erzählen öffentliche Gebäude, Denkmäler oder Kunstobjekte seine Geschichte.

Das EinsteinHaus beispielsweise -  Heimat der Ulmer Volkshochschule. Einsteins Eintreten für die individuelle Unabhängigkeit und den Weltfrieden, seine Menschlichkeit und wissenschaftlichen Leistungen sollten zum Vorbild für den Geist der Volkshochschule werden. Seit der Eröffnung des EinsteinHauses 1968 befindet sich im ersten Stock eine Dokumentation mit Bildern aus dem Leben Einsteins.

Auch Max Bill - Gründungsrektor der Hochschule für Gestaltung (HfG) - beschäftigte sich mit der Erinnerung an den großen Physiker. Das von ihm gestaltete Denkmal befindet sich in der Nähe von Einsteins Geburtshaus. Je zwölf stehende Steine symbolisieren die Tagstunden und zwölf liegende Steine die Nachtstunden.

Weitere Reminiszenzen wie der Brunnen am Zeughaus, die Einstein-Gedenkplatte oder das Glasfenster im Münster zeichnen das Einstein-Bild in Ulm.

Ein altes Haus in der Ulmer Altstadt.

Im Gebäude auf dem Weinhof 19, dem sogenannten "Engländer", wohnte Einsteins Großmutter Helene.

Aber ist das Bild vollständig? Ist es einer Person von der geschichtlichen Bedeutung eines Albert Einstein angemessen? Tatsächlich hat sich Ulm mit einer klaren, stringenten Würdigung seines berühmtesten Sohnes bis dato schwer getan. Aber mag das verwundern? Wie wird man dem Erbe einer Person der Zeitgeschichte gerecht ohne Gefahr zu laufen, sich selbst zu beweihräuchern? Wir reden immerhin von "nur" 15 Monaten, die der geniale Physiker in Ulm verbrachte. Wie viel Ulmer ist Albert Einstein?

Ähnliche Fragen mussten sich auch die Menschen in Bern stellen, wo Einstein einst gearbeitet hat. Ebenso die Verantwortlichen der Princeton University, wo er lehrte, und diejenigen der Hebrew University in Jerusalem, die seinen Nachlass verwalten. Sie alle fanden auf ihre eigene Art und Weise eine Antwort.

Auch Ulm wird eine Antwort finden. Mit einem Museum im sogenannten "Engländer", in dem Einsteins Großmutter Helene in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte. Das Museum wird voraussichtlich 2024 öffnen. Dafür erforscht das Stadtarchiv Ulm die Beziehung von Einstein zu seiner Heimatstadt und die Verbindungen zu seiner in der Region tief verwurzelten Verwandtschaft. Diese Verbindungen werden in vielen Briefen Einsteins sichtbar. Das Stadtarchiv verfügt über eine Sammlung solcher Briefe, die zuletzt um einen Brief aus dem Jahre 1940 erweitert wurde. Neueste Untersuchungen der Historiker zeigen unter anderem auch, dass Einstein in seinem Geburtshaus in der Bahnhofstraße am 21. März nach jüdischem Brauch durch S.W. Strauß aus Laupheim unter Beisein seines Vaters und seiner Großmutter Helene beschnitten wurde.

Generell gilt: Das Erbe des Mannes, der uns das Verhältnis von Raum und Zeit erklärte, hat ohnehin keinen festen Platz oder Ort! Sein Vermächtnis ist in den Köpfen der Menschheit zu Hause.

Und doch steht Ulm in der Pflicht. Hier ist er geboren. Hier war seine Familie zu Hause. Natürlich müssen wir seine Geschichte erzählen. Damit viele Generationen nach uns sie erfahren können. In Ulm - am Ort wo am 14. März 1879 alles begann.

Ein Jugendbild Albert Einsteins

© ullstein bild - ullstein bild

Die weit verzweigte Familie Einstein stammte ursprünglich aus Kappel und Buchau, wo die Großeltern des berühmten Physikers lebten. In Buchau bekam das Ehepaar Abraham und Helene Einstein in den Jahren zwischen 1841 und 1855 die sechs Kinder August Ignaz, Jette, Heinrich, Hermann, Jakob und Friederike. Nach ihrer Hochzeit mit Kosman Dreyfuss zog Jette als erstes Familienmitglied der Einsteins 1864 nach Ulm. Bald schon folgten ihre Eltern und die meisten ihrer Geschwister, auch Hermann Einstein. Spätestens seit seiner Heirat mit der in Cannstatt geborenen Pauline Koch war er als Kaufmann in der Bettfedernhandlung „Israel und Levi“ am Weinhof 19 in Ulm tätig. Die einzelnen Familienmitglieder knüpften in der neuen Heimatstadt schnell Kontakte und engagierten sich in der Gesellschaft. Als die jüdische Gemeinde anlässlich der 500. Wiederkehr der Grundsteinlegung des Münsters 1877 die Jeremias-Figur für die evangelische Kirche stiftete, beteiligten sich auch Hermann Einstein, August Einstein und deren Schwager Kosman Dreyfuss an der Spendenaktion. Kosman Dreyfuss gehörte sogar dem dazu eigens eingerichteten Komitee an. Verwandtschaftlich verbunden waren die Einsteins in Ulm mit den Familien Dreyfuss, Hofheimer, Wessel, Steiner, Hirsch und Moos.

Am 14. März 1879 kam Albert Einstein in der Bahnhofstraße 20 als erstes Kind von Hermann und Pauline Einstein zur Welt. Bereits im Juni 1880 verließ die junge Familie die Stadt Ulm in Richtung München, wo im folgenden Jahr die Tochter Maja geboren wurde. Bis auf Verwandtschaftsbesuche und Schriftwechsel mit der Stadt endete das Ulmer Kapitel von Albert Einstein recht bald. Nicht jedoch für die zahlreichen Verwandten des späteren Nobelpreisträgers, denn mindestens vier Tanten und Onkel lebten hier und es wurden 18 Cousinen und Cousins in Ulm geboren. Die überwiegende Mehrzahl von ihnen wuchs hier auf und verbrachte ihr Erwachsenenleben in Ulm. Kosman Dreyfuss, der Ehemann von Albert Einsteins Tante Jette, wurde nur wenige Jahre nach seiner Ankunft in Ulm zum Vorsitzenden des Israelitischen Vorsteheramtes gewählt. Ihm wurde die Ehre zu Teil, den Schlüssel für die Synagoge vom Bauherrn in Empfang zu nehmen. Auch die Familie Adolph und Friederike Moos zählte zu den angesehenen Bürgern der Stadt. Ein schweres Los traf Lina Einstein, eine von drei Töchtern des Ehepaares August und Bertha Einstein. Innerhalb weniger Jahre verstarben ihre Eltern und ihre beiden Schwestern. Lina Einstein blieb unverheiratet und war nach 1933 auf die Wohlfahrt der israelitischen Gemeinde angewiesen. Nachdem eine Auswanderung nicht zu Stande gekommen war, wurde sie am 22. August 1942 nach Theresienstadt und von dort nach Treblinka deportiert, wo sie unmittelbar nach der Ankunft in einer Gaskammer ermordet wurde. Albert Einstein selbst versuchte, seinen Verwandten in der Zeit der Verfolgung und Not zu helfen und schrieb zahlreiche Empfehlungsschreiben. Vielen Familienmitgliedern gelang es, aufgrund solcher „affidavits of support“ oder auf anderem Wege, Deutschland zu verlassen. Für Lina Einstein, Bertha Hofheimer, Marie Wessel, Hugo Moos und Julius Moos, allesamt Cousinen und Cousins von Albert Einstein, gab es jedoch keine Rettung. Albert Einstein selbst hatte 1933 Deutschland verlassen und war nach einer Vortragsreise in den Vereinigten Staaten geblieben. Bereits am 20. März 1933 wurde in Ulm die nach Einstein benannte Straße in Fichtestraße umbenannt. Kurze Zeit später wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.

Alfred Moos

© DZOK

Nur ein Jude kehrte nach Ende des zweiten Weltkriegs freiwillig nach Ulm zurück: Alfred Moos, der Großneffe Albert Einsteins. Moos war bereits in jungen Jahren politisch aktiv und hatte sich als Jura-Student zunächst der SPD angeschlossen. Später wechselte der zur KPD-nahen "Roten Studentengruppe". Moos verließ auf Vermittlung Albert Einsteins Deutschland bereits 1933. Zunächst hielt er sich in London auf, später emigrierte er nach Palästina.

Warum er 1953 nach Ulm zurückkehrte? "Ich habe den Glauben an eine bessere und schönere Welt des Friedens nie verloren.  Der Wunsch nach Vergebung und Versöhnung hat mich nach Ulm zurückgeführt", sagte er über seine Motive. Die Stadt Ulm würdigte Moos' lebenslangen Einsatz für Frieden und Freiheit mit der Verleihung der Bürgermedaille 1988. Und 2007, zehn Jahre nach seinem Tod, wurde ein Weg nach Moos benannt. Der Alfred-Moos-Weg führt durch den Alten Friedhof, am alten jüdischen Friedhof vorbei und mündet in die Friedensstraße. Viel passender hätte man sein Lebenswerk nicht würdigen können.