Neugestaltung Neue Straße (abgeschlossen)
Mitten durch die Altstadt
Eine der großen verkehrstechnischen Herausforderungen des letzten Jahrhunderts in Ulm war die Neugestaltung der Neuen Straße. Die Hauptverkehrsstraße durch Ulm sollte nicht mehr über Lautenberg und Münsterplatz geführt werden, sondern südlich des neuen Baus und am Rathaus vorbei bis zum Gindele - quer über ein Areal, das bis dahin dicht bebaut war. Dem neuen Straßenbauwerk mussten nicht nur die Ruinen der ehemaligen Bebauung weichen, sondern auch Häuser, die der Krieg verschont hatte. Lediglich die Bäckerei Martin südlich des heutigen Modehauses Jung trotzte noch einige Zeit den Baggern.
1948 | Gemeinderatsbeschluss für den Bau der "Neuen Straße" |
1953 | Baubeginn |
1967 | Verlängerung bis zum Ehinger Tor |
1973 | Erste Überlegungen zur Untertunnelung |
1977 | Städtebaulicher Ideenwettbewerb "Neue Straße - Münsterplatz - Rathaus" |
1989 | Gemeinderatsbeschluss für die Untertunnelung der "Neuen Straße" |
1990 | Städtebaulicher Ideenwettbewerb zur Neugestaltung der Flächen über dem geplanten Tunnel und der Tiefgarage; Preisgericht am 09.12.1990 Neugestaltung der Flächen über dem geplanten Tunnel und der Tiefgarage; Preisgericht am 09.12.1990 |
1991 | Bürgerentscheid am 16.12.1990: 81,7% gegen den Tunnel |
1994 | Neuer Verkehrsentwicklungsplan für Ulm und Neu-Ulm, sieht als erste Maßnahme den Rückbau der Neuen Straße auf zwei Fahrspuren mit zusätzlichen Busspuren und Radwegen vor. Langfristig: Ausbau der Neuen Straße zur Fußgängerzone. |
seit 1994 | Innenstadtforum "Zukunft Neue Straße" mit Diskussionsveranstaltungen im Stadthaus |
1995 | Architektenworkshop zur Umgestaltung der "Neuen Straße" |
1997 | Gemeinsamer Vorschlag der IHK und der City-Werbegemeinschaft zur Umgestaltung der Neuen Straße |
1998 | Durchführung des städtebaulichen Wettbewerbs |
2000 | Gemeinderatsbeschluss für einen Rahmenplan zur Umgestaltung |
2001 | Satzungsbeschluss Neue Straße |
2002 | Baubeginn der Tiefgarage und Beginn der archäologischen Grabung |
Frühjahr 2003 | Gutachterverfahren mit jeweils 6 Architekturbüros für die beiden Hochbauten Münstertor und Rathausarkaden |
Herbst 2003 | Realisierungswettbewerb Freiflächen |
Februar 2005 | Baubeginn der Hochbauten Münstertor und Sparkasse |
März 2005 | Beginn der Baumaßnahmen im öffentlichen Raum |
Juni 2005 | Baubeginn der Kunsthalle Weishaupt |
Herbst 2005 | Richtfest des Kaufhauses Münstertor und der Sparkasse |
März 2006 | Eröffnung des Parkhauses am Rathaus |
April 2006 | Richtfest der Kunsthalle Weishaupt |
21. Juli 2006 | Einweihung des Hans-und-Sophie-Scholl-Platzes |
Nov. 2007 | Eröffnung Kunsthalle Weishaupt - Fertigstellung Neue Mitte |
Verlust charakteristischer Stadträume
Entsprechend den radikalen städtebaulichen Anschauungen der Nachkriegszeit nahm die seit 1954 als Neue Straße bezeichnete Verkehrsverbindung wenig Rücksicht auf das bisherige Straßennetz und die Bebauungsstruktur der alten Stadt.
So fielen dem Ziel einer autogerechten Stadt zahlreiche charakteristische Stadträume in diesem Bereich zum Opfer, darunter der von Bäumen umsäumte Hauptwachplatz mit dem schmiedeeisernen Musikpavillon, der Nordteil des Marktplatzes und das intime Taubenplätzle zwischen Museum und Rathaus.
Die Neue Straße wurde von September 1953 bis August 1957 in insgesamt vier Teilabschnitten zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Donaustraße realisiert.
1967 wurde die Verlängerung des Straßenzugs bis zum Ehinger Tor samt Untertunnelung der Bahnstrecke fertiggestellt; zehn Jahre später fand das Projekt mit dem Teilabriss des Cafe Gindele seinen Abschluss. Seitdem ist die Neue Straße von hier bis zum Ehinger Tor durchgängig mindestens vierspurig befahrbar.
Der Verkehr
1948 war zwischen Hotel Goldenes Rad und Cafe
Gindele noch ein eher beschaulicher Straßenplatz geplant, doch wurde
dieses Areal seit Beginn der Massenmotorsierung in den sechziger Jahren
völlig vom Durchgangsverkehr vereinnahmt: Mit bis zu 33.000 Fahrzeugen,
die sich täglich durch die Innenstadt wälzten, hatte die Neue Straße die
Dimension einer Autobahn erhalten.
Ein Asphaltband von bis zu 7 Fahrspuren - die sogenannte kleine Neue
Straße entlang den Modehäusern Honer und Jung noch gar nicht
mitgerechnet - schneidet seither die Ulmer Altstadt in zwei Hälften.
Viele Gassen wurden durch das breite Verkehrsbauwerk von den Lebensadern
der Stadt abgeschnitten oder endetenn im Nichts.
Es war allerdings nicht nur die Durchgangsstraße
selbst, die für Fußgänger, insbesondere alte Menschen und Kinder, eine
erhebliche Barriere darstellte. Verkehrslärm und Autoabgase hatten weite
Bereiche entlang der Neuen Straße in ein Niemandsland verwandelt.
Deutlich wird dies noch immer im Westen zwischen Neuem Bau und der
Friedrich-Ebert-Straße: hier hat das verkehrsbedingt unattraktive Umfeld
private Investitionen verhindert - trotz der Nähe zur lukrativen
Fußgängerzone Hirschstraße/Bahnhofstraße.
Im Bereich des Rathauses war es nur wenig besser: Eine vor dem Bau der Neuen Straße wichtigsten Einkaufstraßen der Stadt, die Herdbruckerstraße, führte jahrzehnte fast ein Schattendasein. Die Schneise der Neuen Straße schnitt diesen Bereich von den attraktiven Einkaufsbereichen nördlich der Neuen Straße ab. Auch die Geschäfte entlang der Busspur auf der Nordseite der Neuen Straße hatten unter dem Durchgangsverkehr zu leiden.
Rückbaukonzepte der 70er Jahre
Die Probleme, die das überdimensionierte graue Band
der Neuen Straße im Herzen der Stadt verursachte, wurden schon in einer
Zeit erkannt, als der Glaube an die autogerechte Stadt noch ungebrochen
war.
So wurden schon 1973 im Rahmen eines Ergänzungsgutachtens Innenstadt
Ulm-Donau Überlegungen angestellt - vier Jahre vor der endgültigen
Fertigstellung der Neuen Straße im Bereich des Cafe Gindele.
1975 beschloss der Ulmer Gemeinderat ein Innenstadtkonzept, das auch für die Neue Straße Maßnahmen vorsah:
Die Altstadtgebiete nördlich und südlich der Neuen Straße sollen, soweit
möglich, wieder zu einer räumlich funktionalen Einheit verbunden
werden.
Dazu soll der platzartig trennende Straßenraum der
Neuen Straße zwischen Sattlergasse und Donaustraße durch städtebauliche
Maßnahmen in Verbindung mit einer Verkehrsreduzierung oder Absenkung der
Fahrbahn eingeengt werden.
1977 wurden im Rahmen eines Architektenwettbewerbes Ideen für die
Umgestaltung der Neuen Straße in Zusammenhang mit einer Untertunnelung
erarbeitet. Aus Kostengründen wurde dieses Vorhaben zunächst nicht
weiterverfolgt.
Im April 1985 beschloss der Gemeinderat die Aufnahme des Projektes in ein Programm zur Verbesserung der Stadtqualität.
Neben einem Straßentunnel zwischen Hotel Goldenes Rad und Cafe Gindele sollte auch eine Tiefgarage gebaut werden.
1990 wurde der Bau des etwa 100 Millionen Mark teuren Projektes beschlossen.
Ein Architektenwettbewerb lieferte Ideen zur Neugestaltung der frei werdenden Verkehrsflächen.
Der Bürgerentscheid von 1990
Unmittelbar nach dem Baubeschluss setzte eine Bürgerinitiative mittels einer Unterschriftensammlung einen Bürgerentscheid mit
dem Ziel durch, das Tunnelprojekt zu verhindern.
Am 16.12. 1990 stimmten 81,5% der Bürgerschaft gegen das Tunnelprojekt.
Unter anderem wurde befürchtet, dass das Tunnelbauwerk noch mehr
Durchgangsverkehr anziehen würde.
Dies hätten vor allem die nicht untertunnelten Bereiche der Neuen Straße
westlich des Hotels Goldenes Rad und östlich des Cafe Gindele zu spüren
bekommen.
Verkehrsentwicklungsplan 1995
Nach dem Scheitern des Tunnelprojektes wurde von 1992 bis 1994 ein neuer Verkehrsentwicklungsplan erarbeitet, der 1995 von den Städten Ulm und Neu-Ulm gemeinsam beschlossen wurde. Demnach sollte die Neue Straße zwischen Donaustraße und Friedrich-Ebert-Straße kurzfristig auf zwei Fahrbahnen zuzüglich zwei Spuren für den ÖPNV zurückgebaut und langfristig zur Fußgängerzone umgestaltet werden.
Bürgerbeteiligung
Zur Frage der Nutzung der durch den geplanten
Rückbau der Neuen Straße freiwerdenden Flächen lud die Stadt Ulm 1995/96
die Ulmer Bürgerschaft zu offenen Gesprächsrunden ins Stadthaus ein.
Dabei wurden unterschiedliche Auffassungen zur Zukunft der Neuen Straße
deutlich, es bestand aber weitgehend Übereinstimmung, dass die jetzige
Verkehrssituation in der Neuen Straße nicht akzeptabel und eine
Umgestaltung notwendig ist.
Mit der Fertigstellung der Blautalbrücke und dem Bau
des letzten Teilstücks der Nordtangente zwischen dem Gewerbegebiet
Jungingen und Böfingen wird der Tangentenring um Ulm geschlossen sein.
Der Durchgangsverkehr kann dann die Ulmer City großräumig umfahren.
Bereits vor Beginn der Baumaßnahme fuhren rund 30
Prozent weniger Autos auf der Neuen Straße als noch 1991. Dies ist
einerseits Folge der geänderten Verkehrsführung in der Innenstadt von
Neu-Ulm. Andererseits haben in den 90er Jahren große Industriebetriebe
entlang der Blaubeurer Straße ihren Standort in andere Gewerbegebiete am
Rande der Doppelstadt verlagert, so daß die Neue Straße vor allem
während des Berufsverkehrs nicht mehr so stark befahren war wie früher.
Lösungsvorschläge
Die Neue Straße wurde deshalb in der alten Dimension
nicht mehr benötigt und konnte bereits für die Baustellenzeit auf zwei
Fahrspuren reduziert werden. Nun rollten nur noch 13 000 statt im Jahre
2001 rund 22 000 Fahrzeuge pro Tag auf der Neuen Straße. Zwei Spuren für
den öffentlichen Nahverkehr, welche durch den verkehrsberuhigten
Bereich führen, werden im Herbst 2006 zusätzlich eingerichtet.
Der Rückbau der Neuen Straße wirkt sich nach den
Erfahrungen während der Baumaßnahme auf das innerstädtische Straßennetz
relativ wenig aus. Eine Ausnahme bildet die Olgastraße. Doch fahren auch
dort nicht mehr Autos als in den 90er Jahren.
Städtebaulicher Wettbewerb
Ein Architekten-Workshop unter der Leitung von Professor Klaus Humpert lieferte im November 1995 zahlreiche Ideen, die in der Öffentlichkeit diskutiert und 1998 in einem Architekten-Wettbewerb weiter entwickelt wurden. Der mit dem 1. Preis bedachte Wettbewerbbeitrag des Ulmer Architektenteams Guther-Lutz-Dr. Schenk wurde von der Fachwelt und der breiten Öffentlichkeit als "großer Wurf" bezeichnet und ist die Grundlage des aktuellen Projektes.
Lösungsvorschläge
Das prämierte Konzept schafft einen lockeren Wechsel
von etwa viergeschossigen Bauten und Plätzen. Der Autoverkehr wird
südlich der neuen Bauten vorbei geführt. Auf der Nordseite, also entlang
der Ladenzeile entsteht ein verkehrsberuhigter Bereich, der von den
Bussen des öffentlichen Nahverkehrs durchfahren wird.
Der Entwurf des ersten Preisträgers sah für die
Bebauung der Neuen Straße ein Gebäude mit Einzelhandel östlich des
Hotels Goldenes Rad vor, das einen räumlichen Abschluss des
Münsterplatzes bildete. Daran schlossen zwei Geschäftshäuser an, die
einen kleinen Platz umfassten, etwa an Stelle des hier bis Anfang der
fünfziger Jahre vorhandenen Hauptwachplatzes. Nördlich des Museums
sollte ein weiteres Gebäude mit Läden, Büros und Wohnungen entsstehen
sowie einer Ausstellungshalle.
Im Rahmen des Projektes Neue Straße nahm von Anfang
an neben dem Bau der Tiefgarage und der Hochbebauung die Neugestaltung
der öffentlichen Flächen einen zentralen Stellenwert ein.
Schwerpunkte sind hierbei die Gestaltung des zentralen Platzes nördlich
des Rathauses sowie die gestalterische und technische Ausformulierung
der Trassen für den öffentlichen Nahverkehr und den motorisierten
Individualverkehr.
Um die für Aufgabe und Ort angemessene Qualität zu
erreichen, wurde zur Auswahl eines geeigneten Planungsbüros ein begrenzt
offener Wettbewerb unter Architekten, Stadtplanern und
Landschaftsarchitekten ausgelobt. Das Preisgericht tagte am 05.12.2003
unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Arno Lederer aus Stuttgart. Die Arbeit
des Ulmer Büros "Mühlich Fink & Partner" wurde dabei einstimmig mit
dem ersten Preis bedacht und der Stadt Ulm zur Ausführung empfohlen.
Der Entwurf schlägt ein einheitliches Belagsmaterial
für den gesamten Bereich vor. Die Fahrgassen sollen demnach in einem
mit Basaltzuschlag veredelten und gestrahlten Ortbeton ausgeführt
werden, die Fußgängerflächen mit einem in Oberfläche und Farbigkeit
angeglichenen zementgebundenen Werkstein. Die Abgrenzung der beiden
Verkehrstrassen erfolgt durch einen geringen Niveauversatz sowie ein in
Längsrichtung verlaufendes Flachstahlband.
Die Fläche wird über ein Ordnungsprinzip im Rhythmus der Rathausarkaden
strukturiert, das aus einer feinen Streifung aus Betonbändern besteht
und in die sich die Leuchten und Bänke eingliedern.
"Die Autoren dieses Entwurfes können mit wenigen
Details und in einer schlichten Plansprache ihren einfachen Ansatz
überzeugend darlegen. Alles wird in den Dienst einer großen
Einheitlichkeit und der Verbindung der zerteilten Innenstadt über den
neuen Stadtraum hinweg gestellt.
Die Grundhaltung, schlicht und unaufdringlich trotzdem einen sorgfältig
und hochwertig gestalteten Stadtraum zu schaffen, wird durch die
gewählten Materialien überzeugend umgesetzt. Die Ruhe und Zurückhaltung
des Entwurfes wirkt in diesem Kontext geradezu wohltuend.
Man vertraut ganz auf die räumliche Qualität der Altstadt: Ein Konzept
ästhetischer Nachhaltigkeit." (Auszug aus dem Preisgerichtsprotokoll)
Mit der Baumaßnahme der Freiflächen wurde im März
2005 begonnen. Zunächst wurden die beiden Bereiche am Haus der Begegnung
und an der Einfahrt Sattlergasse nach dem Entwurf der Stadtverwaltung
neu gestaltet. In Abstimmung mit dem Büro Mühlich, Fink und Partner
enstanden dabei sowohl im Osten als auch im Westen kleine platzartige
Bereiche mit individueller Aufenthaltsqualität.
Der im Wettbewerb prämierte Gestaltungsentwurf des öffentlichen Raums im
zentralen Bereich der Neuen Straße wird in mehreren Bauabschnitten
parallel zu den Hochbaumaßnahmen umgesetzt. Die gesamte südliche Trasse
zwischen den neuen Gebäuden und der Bestandsbebauung ist bereits mit dem
für Fahrwege und Fußwege jeweils einheitlichen Belag versehen. Am 21.
Juli 2006 wurde der Hans-und-Sophie-Scholl-Platz u.a. mit einer
Ansprache von Elisabeth Hartnagel, der Schwester der Scholl-Geschwister
eingeweiht.
Die Flächen des Fußgängerbereichs und der ÖPNV-Trasse auf der Nordseite
werden in den Sommer- und Herbstmonaten 2006 gebaut. Zur Eröffnung der
Kunsthalle Weishaupt im Frühjahr 2007 wird schließlich das letzte Stück
öffentlicher Raum rund um die Kunsthalle fertiggestellt.
Zwischen Hotel Goldenes Rad und Cafe Gindele wurde eine zweigeschossige Tiefgarage mit knapp 600 Stellplätzen gebaut. Die Zufahrt erfolgt im Westen auf der Neuen Straße nördlich des Hauses der Begegnung.
Damit ist der Parkhausring um die Ulmer Innenstadt geschlossen. Die Erreichbarkeit der Ulmer City wird durch die neue Tiefgarage erheblich verbessert.
Die gesetzlich vorgeschriebenen archäologischen Grabungen erfolgten abschnittsweise parallel zum Rohbau der Tiefgarage und wurden vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg durchgeführt. Zur Verkürzung der Bauzeit gingen Grabungen und Neubau der Tiefgarage Hand in Hand: war ein Abschnitt archäologisch untersucht, begann hier unmittelbar der Neubau der Tiefgarage. Begonnen wurde im Winter 2001/02 und die neue Tiefgarage "Parkhaus am Rathaus" konnte wie geplant im Frühjahr 2006 eröffnet werden.
Als Zeugniss der archäologischen Ausgrabung und der reichhaltigen Stadtgeschichte Ulms wird in das 2. Untergeschoss das 2002 sichergestellte Kellergeschoss eines Patrizierhauses aus der Stauferzeit wieder eingebaut. An der Stelle des Hauptzugangs der Tiefgarage symbolisieren die Steinquader aus dem 13. Jh. das Eintauchen in die Geschichte.
Das Kaufhaus Münstertor
Der Architekt Stephan Braunfels (München / Berlin) baut zwei der drei geplanten Gebäude in der Neuen Straße in Ulm. In einem Gutachterverfahren im Jahre 2003 entschieden sich die beiden Investoren, eine Immobilienfirma eines großen Möbelhauses aus Senden (Firma Inhofer) und die Ulmer Sparkasse für die Entwürfe Braunfels', der zuletzt mit der Münchner "Pinakothek der Moderne" für Furore gesorgt hatte.
Stephan Braunfels entwarf an der Schnittstelle der Neuen Straße zum Münsterplatz ein keilförmiges Gebäude, das der Firma Aufgust Inhofer Wohnbau einem kleinen, aber feinen Markenkaufhaus dienen wird. Die Reduzierung auf einen klaren Baukörper und die Fassade aus samtig grauem Sichtbeton und Glas sprechen eine klassisch moderne Architektursprache, mit der das Gebäude vom Stadthaus zu den weiteren Bauten der Neuen Straße überleitet. Seit Februar 2005 wird gebaut und noch im Jahre 2006 soll die Eröffnung sein.
Das Dienstleistungsgebäude der Sparkasse
Das zweite Gebäude, direkt daneben und schräg gegenüber dem historischen Ulmer Rathaus gelegen, wird von der Ulmer Sparkasse gebaut. Braunfels´Entwurf überzeugt durch die Komposition zweier schlanker Bauteile, die in Höhe und Gliederung auf die Maßstäblichkeit der umgebenden Bebauung reagieren. Das Haus öffnet sich mit einer großzügigen Erschließungshalle zum Hans-und-Sophie-Scholl-Platz. Im Erdgeschoss wird sich eine Multifunktionsfläche für Marketingpräsentationen und Bankdienstleistungen der Sparkasse sowie ein Angebot an Einzelhandelsflächen befinden. Das neue Gebäude dient dem gegenüberliegenden Hauptsitz der Sparkasse als Kompetenz-Center vorwiegend für gewerbliche Kundschaft und Privatkunden. Die Fertigstellung des Gebäudes ist für Ende 2006 geplant.
Die Kunsthalle Weishaupt
Ein wichtiger Baustein, sowohl für das Projekt Neue Straße als auch für die "Kulturmeile" der Innenstadt Ulms, ist das auf dem östlichen Grundstück geplante Ausstellungsgebäude für die Sammlung Weishaupt. Der Unternehmer aus Schwendi baut zwischen dem städtischen Museum und der nördlichen Geschäftszeile Neue Straße eine Kunsthalle für seine private Kunstsammlung, die moderne Malerei und Skulpturen umfasst. Der keilförmige, dem Städtebau angepasste Gebäudeentwurf stammt aus dem Münchner Architekturbüro WWA – Wolfram Wöhr Architekten. Seit Ende Mai 2005 ist die Baustelle in Betrieb. Mit der Fertigstellung wird im Frühjahr 2007 gerechnet.
"... ein Gebäude, das dem Kunstobjekt eine Chance
gibt", mit diesen Worten beschreibt Siegried Weishaupt selbst den
Gebäudeentwurf, dessen Architektur des Gebäudes klar strukturiert ist.
Entsprechend den Funktionen ist der Entwurf in drei Baukörper
aufgeteilt, die die unterschiedlichen Nutzungen ablesbar machen: einen
geschlossenen Kubus, der den eigentlichen Ausstellungsteil – im 1. Stock
den Grafiksaal und im 2. Obergeschoss den großen, mit Oberlicht
versehenen Ausstellungssaal – umschließt, einen höheren Gebäudeteil im
östlichen Bereich des Gebäudes mit den Nutzungen Verwaltung und
Anlieferung sowie einen gläsernen Erschließungstrakt auf der Südseite,
in dem eine große, einläufige Treppe über alle drei Geschosse nach oben
führt. Eine Skulpturenterrasse auf der Nordseite trennt den
Ausstellungsteil und die Verwaltung und bietet zugleich den in Ulm so
wichtigen Münsterblick. Im Erdgeschoss befinden sich im östlichen
Bereich Flächen für Einzelhandel. Der Haupteingang zum neuen
Ausstellungsgebäude und dessen Foyer orientieren sich zum neuen Platz
vor dem Rathaus, dem Hans-und-Sophie-Scholl-Platz. Das gesamte
Erdgeschoss unterstreicht in Form eines gläsernen Sockels den
einladenden Charakter des Hauses.
Neue Mitte Ulm
Die drei Neubauten von Stephan Braunfels und Wolfram Wöhr ergänzen mit ihrer Architektursprache die Reihe der modernen Bauten in der Ulmer Innenstadt wie das Stadthaus von Richard Meier, die neue Zentralbibliothek von Gottfried Böhm und die Erweiterung des Ulmer Museums von Raupp / Manderscheidt in hervorrragender Weise. Im Zusammenhang mit dem neuen Hans-und-Sophie-Scholl-PLatz vor dem Rathaus stellen die Gebäude auf der Neuen Straße mit ihren Nutzungen ein wichtiges Verbindungsglied der Innenstadt um das Münster und dem Marktplatz dar.
Freiflächen Neue Straße
Bauherr: Stadt Ulm
Entwurf: Architekturbüro Mühlich, Fink & Partner, Ulm
Garage am Rathaus
Bauherr: Ulmer Parkbetriebs-Gesellschaft mbH
Entwurf, Planung und Bauleitung: Ingenieurbüro Scherr & Klimke, Ulm
Gestaltung: hochstrasser architekten, Neu-Ulm
Kaufhaus Münstertor
Bauherr: Möbel-Inhofer, Senden
Architektur: Stephan Braunfels Architekten, Berlin
Rathausarkaden
Bauherr: Sparkasse Ulm
Architektur: Stephan Braunfels Architekten, Berlin
Kunsthalle Weishaupt
Bauherr: Siegfried Weishaupt, Schwendi
Architektur: Wolfram Wöhr Architekten und Partner, München
Die vorliegende städtebauliche Planung ist Ergebnis eines langen Entwurfsprozesses mit intensiver Beteiligung der Öffentlichkeit. Hierzu wurde mit verschiedenen, auch neuen Formen der Bürgerbeteiligung gearbeitet.
Innenstadtforum Zukunft Neue Straße
Um eine allgemeine Beurteilungsgrundlage für den Stadtraum Neue Straße zu erhalten wurden im Rahmen des "Innenstadtforum Zukunft Neue Straße" im Jahre 1995 in mehreren öffentlichen Veranstaltungen im Stadthaus Möglichkeiten und Chancen einer besseren Nutzung und Gestaltung der Neuen Straße erörtert. Es bestand weitgehende Übereinstimmung, dass die jetzige Verkehrssituation in der Neuen Straße nicht akzeptabel und eine Umgestaltung notwendig ist.
Workshop mit Fachleuten
Auf Basis dieser Ergebnisse lud der Fachbereich Stadtentwicklung und Umwelt in Zusammenarbeit mit der Architektenkammer Architekten aus Ulm und Neu-Ulm zu einem Workshop ein. Unter der Leitung von Professor Klaus Humpert (Freiburg) wurde versucht, verschiedene Lösungsansätze für einen weiteren Umgang mit den aufgrund der Reduzierung der Verkehrsflächen freiwerdenden Flächen zu finden. Hierbei war nicht Ziel, ausgereifte und sofort umsetzbare Entwürfe zu entwickeln, vielmehr sollte sich durch den Workshop eine möglichst große Bandbreite verschiedener möglicher Herangehensweisen als Beurteilungsgrundlage herauskristallisieren.
Architektenwettbewerb
Nach Ausstellung und eingehender Diskussion der
Ergebnisse in der Öffentlichkeit wurde durch die Stadt Ulm ein
städtebaulicher Wettbewerb ausgelobt. Von einer hochrangigen Jury, u. a.
Prof. Klaus Humpert / Freiburg, Luigi Snozzi / Locarno, Dipl. Ing.
Ulrike Lauber / München sowie Vertretern des Gemeinderates wurde aus
zehn Arbeiten aus ganz Deutschland der Entwurf der Ulmer Architekten
Gunther, Lutz, Schenk einstimmig mit dem ersten Preis bedacht und zur
weiteren Umsetzung empfohlen.
Prämiert wurde hiermit „ein außergewöhnliches
Konzept, das unterschiedliche Nutzungen und Nutzer ermöglicht, das die
Verkehrsfrage einfach und angemessen löst und sich in Proportion von
Raum und Gebäude harmonisch ins Stadtbild einfügt“ (Auszug aus dem
Preisgerichtsprotokoll).
Das Konzept sieht einen lockeren Wechsel von etwa viergeschossigen Bauten und Plätzen vor.
Der Autoverkehr wird südlich der neuen Bauten
vorbeifließen. Auf der Nordseite entlang der Ladenzeile soll eine
Fußgängerzone entstehen, die nach Freiburger und Karlsruher Vorbild vom
öffentlichen Nahverkehr durchfahren wird.
Bebauungsplan mit erweiterter Bürgerbeteiligung
In der weiteren Auseinandersetzung mit dem Projekt
in Form von Gesprächen und Diskussionen mit Bürgerinnen und Bürgern,
Verbänden und Fraktionen des Gemeinderates bewegte insbesondere die
Sicherung der architektonischen Qualität der vorgesehenen Bebauung im
weiteren Verfahren sowie das vor dem historischen Rathaus vorgeschlagene
Baufeld die Gemüter.
Der Ulmer Gemeinderat hat daher am 17. Oktober 2001
den Bebauungsplan "Neue Straße" beschlossen unter Berücksichtigung
folgender Ergänzungen:
Auf eine Bebauung des Baufeldes vor dem Rathaus wird verzichtet
Für die verbleibenden drei Baufelder werden in Zusammenarbeit mit Investoren jeweils Realisierungswettbewerbe durchgeführt
Vor der Realisierung der Hochbebauung wird der Bebauungsplan
"Neue Straße" nach Vorliegen der abgestimmten Wettbewerbsergebnisse in
einem Änderungsverfahren angepasst
Gutachten für die Hochbauten mit Beteiligung der Stadt
Die neu entstandenen Baufelder wurden im Frühjahr
2003 unter der Bedingung an private Investoren verkauft, die Qualität
der Architektur per Gutachterverfahren zu entscheiden. Es wurden für
beide Grundstücke jeweils sechs Architekturbüros beauftragt und die
Ergebnisse wurden durch ein Preisgericht mit zwei externen
Fachgutachtern mitgetragen. Bei beiden Entwürfen konnte das
Architekturbüro Stephan Braunfels (München, Berlin) das Verfahren für
sich entscheiden.
Braunfels entwirft für den Eingang zum Münsterplatz ein keilförmiges
Gebäude, in dem ein Markenartikel-Kaufhaus untergebracht werden soll.
Dem Entwurf gelingt es, neben der Reduzierung auf einen klaren Baukörper
die Balance zwischen Anpassung an die Umgebung Gesamtgefüge und der an
diesem Ort erforderlichen Besonderheiten in Ausdruck und Material zu
halten.
Das zweite Gebäude, direkt daneben und schräg gegenüber dem historischen
Ulmer Rathaus gelegen, soll ein Kaufhaus mit Büro- und
Dienstleistungsnutzungen beherbergen. Die Gliederung des Baukörpers in
zwei gespreizte Gebäuderiegel mit einer differenzierten Abstufung der
einzelnen Höhen, welche sich auf die Umgebungsbebauung beziehen, wird
einheitlich als sehr interessant eingeschätzt. Insbesondere mit der
innenräumlich qualitätsvollen, zentralen inneren Erschließung von der
Ostseite durch ein offenes Treppenhaus wird dieses Konzept konsequent
weiterverfolgt.
Realisierungswettbewerb Freiflächengestaltung Neue Straße
Aufgrund der zentralen Lage der Neuen Straße in der Innenstadt Ulms und dem daraus entstehenden hohen Qualitätsanspruch an die Gestaltung des Öffentlichen Raums wurden im Rahmen eines europaweit ausgelobten Wettbewerbs der Stadt in 35 Architektur- und Stadtplanungsbüros Entwürfe erarbeitet. Die Freiflächen nördlich der KFZ-Trasse wurden dabei als nur vom ÖPNV und Andienungsverkehr durchfahrene Fußgängerzone ausgewiesen. Nördlich des Rathauses, zwischen Gebäude "Rathausarkaden" und Gebäude Ost soll ein neuer Platz entstehen. Eine hochrangige Jury bewertete Anfang Dezember 2003 die Beiträge. Das Ulmer Architekturbüro Mühlich, Fink & Partner erhielt den 1. Preis und wurde von der Stadt mit der Entwurfsplanung beauftragt.
Begleitung des Projekts durch permanente Präsenz in der Öffentlichkeit
Für die Information der Öffentlichkeit hatte die
Stadt zu Beginn der Baumaßnahme im Frühjahr 2002 eine Infobox errichtet,
die sich auf einer Plattform mitten auf der Baustelle befand. Damit war
ein signifikanter Ort entstanden, der die Neue Straße trotz – oder
gerade wegen – der Baustelle und der archäologischen Ausgrabung ins
Bewusstsein der Öffentlichkeit brachte.
Die Plattform stellte die Hauptquerungsmöglichkeit der Baustellengrube
für Fußgänger und Radfahrer dar. Hier hatten die Vorübergehenden
Gelegenheit, den Fortschritt der Baustelle von einem privilegierten Ort
aus zu beobachten. Gleichzeitig war die Plattform Treffpunkt für
Stadtführungen und Führungen des Landesdenkmalamtes.
In der Infobox konnten sich alle interessierte Menschen über das Projekt
Neue Straße informieren. Tägliche Sprechstunden durch Mitarbeiter/innen
der Stadtverwaltung wurden in den Sommermonaten angeboten. Darüber
hinaus war vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg im 1. Obergeschoss
eine Ausstellung über die Ausgrabung, deren Funde und den daraus
folgenden Erkenntnissen installiert. Von der Aussichtsplattform auf dem
Dach der Infobox hatte man einen wunderbaren Überblick von der
Gesamtmaßnahme Neue Straße.
Die heutige Großstadt und ehemalige Reichsstadt Ulm ist eine der ältesten Städte Baden-Württembergs. Ihre Wurzeln reichen über 1150 Jahre zurück auf eine königliche Pfalz, die, gelegen im Mündungsgebiet von Blau und Iller, am Donauübergang alter Landstraßen entstand. Diese führten in karolingischer Zeit, einer alten Route folgend, vom Mittleren Neckar über das Filstal bei Geislingen/Steige in Richtung Ulm. Von Ulm aus waren die Bischofssitze Augsburg und Konstanz sowie die Pfalz Bodman am Bodensee zu erreichen.
Nach der Zerstörung Ulms im Zweiten Weltkrieg wurde mit der Neuen Straße eine bis zu sieben Fahrspuren breite Verkehrsachse in den mittelalterlichen Altstadtkern gelegt. Und weil die bis zu 30 m breite Autoschneise das Stadtzentrum zwischen dem Rathaus im Süden und dem Münster im Norden teilte, wurde nach etwa 50 Jahren die Umgestaltung der Neuen Straße und der Bau einer 13 000 m² großen Tiefgarage beschlossen. Das Bauvorhaben ermöglichte dem Landesdenkmalamt Baden-Württemberg sein bisher aufwendigstes Grabungsprojekt durch die Untersuchung mehrerer Baublöcke, Straßen und Plätze. Der etwa 560 m lange "Grabungsschnitt" versprach neue Aufschlüsse über die Entwicklung Ulms von der Pfalz mit Vorburg über die Pfalzstadt der Staufer bis zur voll ausgebildeten Stadt des späten Mittelalters mit ihren baulichen Veränderungen bis in die Gegenwart.
Finanziert wurden die Untersuchungen gemeinsam durch die Stadt Ulm, die Bundesanstalt für Arbeit und das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Die im Verlauf von drei Jahren ausgegrabenen 8 000 m² des betroffenen Areals sind nach den Bauabschnitten in 13 Felder aufgeteilt.