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Interview mit Michele Calabrese von der EBU

Ein Mitarbeiter eines Abfuhrunternehmens steht hinten auf einem Müllwagen.

In unserer Serie "Erzähl doch mal..." berichten Ulmerinnen und Ulmer von ihren Erlebnissen und Erfahrungen während der Corona-Pandemie. Für die vierte Folge haben wir mit Michele Calabrese gesprochen. Er arbeitet für die Entsorgungs-Betriebe der Stadt Ulm (EBU), die während der Pandemie auf ganz besondere Herausforderungen treffen.

Wie wirkt sich die aktuelle Pandemie auf Ihre Arbeit aus?
Dadurch, dass viele Firmen während des Lockdowns geschlossen hatten, waren deren Mitarbeiter zu Hause. Die haben sich dann Dinge überlegt, die man machen kann, wenn man plötzlich mehr Zeit gewonnen hat, und das ganze Haus entrümpelt. Die Recyclinghöfe waren überfüllt und es gab überall wilde Müllablagerungen. Eine Unmenge an Altreifen wurden überall in Ulm, im Wald und im Donautal entsorgt. Wir mussten mit dem Radlader rausfahren, alles einsammeln und entsorgen. Unsere Arbeit hat zugenommen. Einmal haben wir an einer Stelle einen ganzen Hausstand gefunden - vom Schrank bis hin zu Geschirr und Kleidung war alles dabei. Dieses Jahr ist es besonders heftig. Wir hatten sehr viel zu tun und kamen der Arbeit stellenweise nicht hinterher. Der Müll wurde punktuell entsorgt, das hat unsere Arbeit zusätzlich erschwert und einen deutlichen Mehraufwand bedeutet.

Was haben Sie damals gedacht, als Ulm und Umgebung komplett entrümpelt haben?
Für uns alle war die Pandemie eine völlig neue Begebenheit - eine solche Situation haben wir alle noch nicht erlebt. Ich habe schon Verständnis für die Bürgerinnen und Bürger, dass sie die Zeit nutzen, um Ordnung in ihrem Zuhause zu schaffen. Allerdings habe ich wenig Verständnis dafür, wenn der Müll willkürlich entsorgt wird und die Menschen aggressiv reagieren. Solche ungehaltenen Reaktionen, wenn Menschen durch das Verkehrschaos beim Anstehen vorm Recyclinghof lange warten mussten, kann ich nicht nachvollziehen. Ich hätte nie gedacht, dass bei unserer Arbeit die Polizei einschreiten muss. Wir wurden aufs Übelste beschimpft und mussten Personen vom Hof verweisen. Dabei möchten wir einfach nur unsere Arbeit machen und die Stadt sauber halten.

Was haben Sie empfunden, als man so mit Ihnen umgegangen ist?
Ich war wütend und traurig zugleich. Wütend, weil wir ja lediglich unsere Arbeit machen, und traurig, weil in der orangenen Uniform immer noch ein Mensch drinsteckt. So geht man nicht miteinander um, das ist kein respektvolles Verhalten.

Wie hat sich die Pandemie auf die Müllproduktion der Bürgerschaft ausgewirkt?
Durch den Lockdown und den Take-away-Service bei der Gastro gibt es vermehrtes Müllaufkommen. Die Mängelmelder schlagen ständig Alarm und die normalen Tonnen haben nicht mehr ausgereicht. Wir mussten die orangenen Tonnen, die wir normalerweise an Schwörmontag verwenden, in der Stadt aufstellen. Haben wir früher ein vermehrtes Zigarettenaufkommen gehabt, so liegen nun überall die Masken rum.

Ziehen Sie auch etwas Positives aus der Situation?
Ja, ich bin viel gelassener geworden. Ich lasse mich nicht stressen und nehme Beleidigungen nicht ernst. Und es hat sich nochmal bestätigt, dass wir mit 140 Mitarbeitenden ein gutes Team sind und uns aufeinander verlassen können.

Erfahren Sie auch manchmal Wertschätzung von der Bürgerschaft?
Nein, leider nicht. Im März 2020 wurden wir noch gefeiert, aber das ist mittlerweile in Vergessenheit geraten.

Was wünschen Sie sich von den Menschen?
Allgemein sollen alle mal runterkommen, Verständnis für andere aufbringen und die Art und Weise überdenken. Bevor man loslegt und jemanden beschimpft, einfach mal einen Schritt zurückgehen und das eigene Verhalten überdenken. In dieser Situation kann man sich sachlich fragen, ob wirklich eine böse Absicht bei einem Verkehrschaos am Recyclinghof dahintersteckt. Wir möchten nur den Dreck wegräumen und unsere Stadt sauber halten. Ich würde mich freuen, wenn die Mitbürgerinnen und Mitbürger sensibilisiert werden und den Müll so entsorgen und trennen, wie es sein sollte.

Das Interview wurde im Januar 2021 geführt.