Akram Mohamad
Akram Mohamad (23 Jahre) flüchtete mit seiner Familie aus Syrien, da sie in Lebensgefahr waren. Seine Eltern und elf Geschwister haben im Krieg alles verloren und mussten sich ein komplett neues Leben aufbauen.
Wie war euer Leben in Syrien?
Akram Mohamad: Meine Eltern hatten ein eigenes Haus, mein Vater arbeitete als Landwirt und meine Mutter war Hausfrau. Ich habe fünf Schwestern und sechs Brüder. In Syrien ging ich noch zur Schule. Allerdings war die Zeit viel von Angst durch den Krieg geprägt. Es war als Kind sehr schwer, einen Krieg zu erleben. Wir mussten alles aufgeben, um unser Leben zu retten. Das war sehr schlimm. Dann mussten wir unser Zuhause in der Heimat aufgeben und in ein neues Land aufbrechen, deren Sprache und Kultur wir bis dahin nicht kannten. Das war schwer, aber es hat irgendwie geklappt.
Wann begann eure Flucht und wie lief das ab?
Akram Mohamad: Wir haben 2014 schnell unsere Papiere genommen und sind direkt aufgebrochen. Wir haben bis zur letzten Sekunde gewartet, dann mussten wir aufbrechen, denn sonst würden wir nicht mehr leben. Wir kommen aus einem kleine Dorf in der Nähe von Aleppo und sind eine Stunde zu Fuß an die Grenze zur Türkei gelaufen, dann waren wir in Sicherheit.
Wie ging es dann weiter?
Wir waren bis 2019 in der Türkei, das war eine gute Zeit. Zunächst waren wir sechs Monate in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht und dann konnten wir in eine Wohnung zur Miete ziehen. Dort habe ich als Metallbauer gearbeitet. Ich war mit 14 Jahren bei Kriegsausbruch sehr jung und ging in meiner Heimat noch zur Schule. Wir konnten uns in der Türkei gut verständigen, da wir an einem Ort waren, in dem Kurdisch gesprochen wurde - meine Muttersprache. Es wurden dort einige formelle Dinge geklärt, die Zeit in Anspruch genommen haben. Wir wurden mehrfach befragt, u. a. was unser Zukunftspläne sind und es hat dann vier Jahre gedauert, bis wir dann nach Deutschland ausreisen konnten.
Wie seid ihr dann nach Deutschland gekommen?
Wir sind geflogen und in Kassel gelandet. Dort blieben wir 15 Tage, bis wir unserem großen Bruder in Ulm nachgereist sind, der bereits seit 2015 hier lebt. Nun sind wir bis auf einem Bruder, der in Marokko lebt, in Ulm.
Wie ging es dann in Deutschland weiter?
Zunächst mussten wir erstmal Deutsch lernen und einen Sprachkurs machen. Danach habe ich meinen Hauptschulabschluss gemacht und im Anschluss eine Ausbildung als KFZ-Mechatroniker. Im August beginne ich das 2. Lehrjahr. Ich möchte meine Ausbildung unbedingt gut abschließen. Dann schaue ich, was die Zukunft bringt.
In Ulm leben wir, wie wir in Syrien zusammengelebt haben: Ich lebe mit meinen Eltern, einem weiteren Bruder und einer Schwester in einem Haushalt. Meine weiteren Geschwister haben teilweise eigene Wohnungen und Familien. Wir haben auch Freunde gefunden und fühlen uns hier sehr wohl.
Was vermisst du aus deiner Heimat?
Ich vermisse nichts, denn ich war damals noch sehr jung. Die Dinge, die wir verloren haben, bekommen wir nie wieder zurück. Unser Haus wurde komplett zerstört.
Aber wir haben was Traditionelles von den Deutschen übernommen: Geburtstag feiern. Das gibt es in Syrien nicht. Der Geburtstag wird dort nicht so genau dokumentiert. Die meisten haben als Geburtstag immer den ersten Tag im Monat eingetragen. Wir fanden diese Tradition sehr schön, so dass wir jetzt immer unseren Geburtstag feiern.
Wie habt ihr das Erlebte aus dem Krieg verarbeitet?
Wir waren komplett auf uns gestellt und hatten da keine Unterstützung. Wir haben das mit uns selbst ausgemacht.
Wenn du drei Wünsche frei hättest, egal was, was wäre das?
Als Erstes wäre mein Wunsch, den deutschen Pass zu erhalten. Dann möchte ich meine Ausbildung erfolgreich abschließen und mit meiner Familie zusammenbleiben.
Wo siehst du deine Zukunft?
Ganz klar, hier in Deutschland. In Syrien sehe ich keine Zukunft. Ich bin sehr zufrieden, wie alles gelaufen ist. Und ich bereue nichts. Meinen Führerschein habe ich bereits, später suche ich mir auch eine eigene Wohnung. Aber jetzt hat erstmal meine Ausbildung Priorität, die möchte ich gut abschließen. Wie es dann weitergeht, wird sich zeigen.
Was würdest du den Menschen sagen, die Vorurteile gegenüber Geflüchteten haben?
Wir Menschen sind alle unterschiedlich, das hat nichts mit der Nationalität zu tun. Es wäre gut, wenn sich Menschen mit Vorurteilen mal mit den geflüchteten Menschen aus Syrien unterhalten würden, dann würde sie sie auch besser verstehen.
Wie gefällt dir Ulm?
Ulm hat eine gute Stadtgröße und ist nicht zu groß. Ich mag die Fachwerkhäuser. Ich habe auch schon andere deutsche Städte besucht, aber Ulm finde ich am schönsten – es gefällt mir sehr.
Seit März 2011 befindet sich Syrien im andauernden Bürgerkrieg. Der Auslöser des Konflikts waren friedliche Proteste gegen das autoritäre Regime des Präsidenten Baschar al-Assad im Zuge des„Arabischen Frühlings“. Die Demonstrantinnen und Demonstranten forderten bessere Lebensbedingungen, politische Reformen, die Achtung der Menschenwürde, Freiheiten, Mitspracherecht, Rechtsstaatlichkeit sowie soziale und wirtschaftliche Perspektiven. Sie wollten nicht länger vom Alleinherrscher Baschar al-Assad unterdrückt werden und forderten seinen Rücktritt. Das Regime ging gegen diese Proteste sehr gewaltsam und brutal vor.
Aufgrund dessen entstand die Freie Syrische Armee (FSA), die sich aus der syrischen Armee abgespalten hatte und immer größer wurde. Diese kämpfte im Bürgerkrieg gegen die syrische Armee. Der Bürgerkrieg weitete sich aus, denn Groß- und Weltmächte mischten sich ein und erweiterten den Konflikt. Es wird auch von einem „Stellvertreter-Krieg“ gesprochen, bei dem zwei Länder ihren Konflikt offen in einem anderen Land austragen. Russland unterstützte Baschar al-Assad, die USA und die Türkei hingegen die FSA bzw. die Rebellen. 2014 kam der Islamistische Staat (IS) hinzu, der allerdings von allen Beteiligten ein Jahr später bekämpft wurde. 2018 gab es im Norden Syriens heftige Kämpfe zwischen türkischen und kurdischen Truppen. Im selben Jahr eroberte die syrische Regierung die meisten Regionen des Landes zurück.
Der Krieg zieht sich in die Länge und verursacht in Syrien eine humanitäre und wirtschaftliche Katastrophe. Ein einkehrender Frieden ist in Syrien noch lange nicht in Sicht. Schätzungen zufolge gibt es circa 13 Millionen syrische Flüchtlinge.