Sozialraumspezifische Fragen
Sozialraum West: FAQs Johannesstraße 11
Ausgangslage
Die Stadt ist gesetzlich verpflichtet, Geflüchtete unterzubringen und wird dieser Aufgabe nachkommen. Die bisherigen Kapazitäten reichen jedoch nicht aus. Die Stadtverwaltung bemüht sich auf verschiedenen Wegen um zusätzliche Räumlichkeiten. Ohne gewisse Einschränkungen für die Bevölkerung wird es nicht gehen. Eine Leitlinie der Stadtverwaltung ist dabei, die Geflüchteten gleichmäßig auf alle Sozialräume aufzuteilen. Unter dieser Prämisse wurde vom Gemeinderat entschieden, dass 250 Unterkünfte für die Anschlussunterbringung im Sozialraum West geschaffen werden sollen - dem Sozialraum, in dem bisher anteilig weniger Geflüchtete leben als in den anderen Stadtteilen. Zum geplanten Standort in der Johannesstraße 11 findet am 12. September von 19:30 Uhr bis 21 Uhr in der Mehrzweckhalle Weststadt (Molktestraße 10) eine weitere Informationsveranstaltung statt.
Ideale Standorte wird es nicht geben, die allermeisten Standorte haben Vor- und Nachteile. Auch wenn eine Unterbringung von Geflüchteten in Gewerbegebieten grundsätzlich nicht verfolgt wird, erscheint dieser Ort aufgrund der Besonderheiten im Umfeld akzeptabel. Beispielsweise sind Geschäfte des täglichen Bedarfs, Bildungsinfrastruktur, Nahverkehr, Einrichtungen der AG West und weiteres fußläufig erreichbar, es gibt einzelne Wohnhäuser im Umfeld (auch wenn dort natürlich weniger Menschen wohnen als in einem Wohngebiet). Die zukünftigen Bewohner*innen der Johannesstraße 11 sind daher aus unserer Sicht nicht isoliert.
Es geht bei diesem Objekt zunächst um eine Anschlussunterbringung. Es werden dort Menschen leben, die schon einige Zeit in einem der Gebäude für die Erstunterbringung/Notunterkunft gewohnt haben und eine Bleibeperspektive haben. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Menschen auch längerfristig in Deutschland bleiben werden und eigentlich auch auf dem freien Wohnungsmarkt unterkommen können, sobald sie eine Wohnung finden. Erste Anstrengungen zur Integration sind damit schon erfolgt, Bildungsangebote sind überwiegend schon angenommen und erste Schritte in den Arbeitsmarkt getan.
Da die Stadt die Gebäude aber über einen Zeitraum von 10 Jahren anmietet, und gleichzeitig nicht vorhersagbar ist, in welche Richtung sich die Zahlen an unterzubringenden Menschen wie auch vorhandene Wohnkapazitäten in den nächsten zehn Jahren entwickeln werden, können hier keine abschließenden Aussagen getroffen werden. Die Stadt hat keinen Einfluss darauf, welchen Status die Geflüchteten haben oder woher sie kommen. Die Erfahrung in den bestehenden Unterkünften und die geringen Konflikte im direkten Umfeld bestehender Standorte zeigen aber, dass es in der Vergangenheit gut gelungen ist, die Belegung im Hinblick auf ein verträgliches Miteinander der Bewohnenden vorzunehmen. Dies liegt auch im eigenen Interesse der Verwaltung, da die Betreuung dieser Unterkünfte entsprechend konfliktfreier möglich ist.
Einzelzimmer sind in den Plänen nicht vorgesehen. Es handelt sich um abgeschlossene eigenständige Wohneinheiten für zwei bis fünf Personen, vergleichbar mit den Modulbauten in den Ortschaften. Auch Paare oder kleine Familien können dort untergebracht werden. Aufgrund der baulichen Struktur und der Flexibilität für die Verteilung der Geflüchteten ist eine hohe Anzahl an abgeschlossenen Einheiten für zwei Personen vorgesehen.
Es ist richtig, dass keine Gemeinschaftsräume vorgesehen sind, so wie es auch in anderen angemieteten Objekten, in den Wohncontainern beim Stadion oder in den Modulbauten in den Ortschaften, keine Gemeinschaftsräume gibt (sie alle dienen der Anschlussunterbringung von Geflüchteten, nicht der Erstaufnahme). Weil den dort untergebrachten Personen nicht 4,5 m²/Person, sondern 10 m²/Person zur Verfügung stehen, ist das Zusammenleben dort in der Regel erheblich entspannter und weniger konfliktträchtig. Andererseits ist der zur Verfügung stehende Raum doch so klein, dass weiterhin der Anreiz besteht, sich selbst um Wohnraum auf dem freien Wohnungsmarkt zu bemühen. Gemeinschaftsräume bzw. -flächen sind insbesondere notwendig, wenn nur 4,5 m²/Person zur Verfügung stehen.
Begegnungen und integrative Veranstaltungen richten sich zumeist nach Kenntnissen und Bedarfen der Geflüchteten sowie der Anbieter*innen (z.B. der ehrenamtlich Engagierten) aus. Diese sind somit meist nicht für Bewohner*innen eines bestimmten Objektes zu einem Zeitpunkt, sondern für eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet. Plakativ: es macht beispielsweise wenig Sinn, in einem Haus alle Bewohner*innen für einen Nähkurs gewinnen zu wollen, während dieser aber stadtweit gut angenommen wird. Begegnungen sind, wie bei sonstigen Kontaktveranstaltungen, meist auf neutralem Gelände erwünscht, nicht im eigenen Wohnhaus, solange Personen sich noch nicht gut kennen. Veranstaltungen finden daher meist in größeren Räumen statt. Die Erfahrung zeigt, dass z.B. kleine Räume in bisherigen Unterkünften nicht gut genutzt wurden. Viele Geflüchtete nutzen sehr gut die für sie passenden spezifischen Angebote von sozialen Organisationen und von ehrenamtlich engagierten Bürger*innen, die an einer Vielzahl von Orten und in unterschiedlichen Stadtteilen stattfinden.
Ein Sicherheitskonzept, womit vermutlich der Einsatz eines Sicherheitsdienstes gemeint ist, ist nach unseren Erfahrungen nicht erforderlich. Sicherheitsdienste werden derzeit nur in den Gemeinschafts- und Notunterunterkünften eingesetzt, dies aber überwiegend im Hinblick auf Brandschutz, Sicherheitsgefühl und Organisation innerhalb der Einrichtung. Da hier sehr viel mehr Menschen und dazu noch auf sehr viel kleinerem Raum untergebracht sind, ist das Konfliktpotenzial höher. Auf das Verhalten der Bewohner*innen außerhalb der Unterkünfte hat ein Sicherheitsdienst keinen Einfluss. Es gibt daher im Rahmen der Anschlussunterbringung in Ulm keinen stationären Einsatz von Sicherheitsdiensten, da dies bislang nicht erforderlich war. Bei Auffälligkeiten können die Hausleitungen der Objekte kontaktiert werden (auch von den Anwohner*innen). Sie sind wie auch die Hausmeister ab und an in den Objekten. Wird festgestellt, dass das Zusammenleben in bestimmten Objekten ausnahmsweise nicht wie vorgesehen funktioniert, wird nachgesteuert und es werden auch Umzüge vorgenommen.
Auch wenn kleinere Standorte natürlich im Hinblick auf die Integrationsbemühungen die bessere Alternative sind, müssen im Hinblick auf die Rahmenbedingungen in unserer Stadt und die Leistbarkeit Kompromisse eingegangen werden. Es ist leider so, dass es nur eine begrenzte Anzahl solcher Unterbringungsmöglichkeiten am Markt gibt. Über die Drehscheibe Wohnraum ist es in den letzten Jahren gelungen, insgesamt Unterbringungsplätze für über 1.000 Menschen anzumieten und damit eine entsprechend kleinteilige Unterbringung zu ermöglichen. Hier scheint das Potenzial in einer Stadt mit knappem Wohnraumangebot aber erreicht.
Müsste die Stadt diese selber bauen, wäre das wirtschaftlich und in der erforderlichen Zeit nicht zu stemmen, angefangen mit der Standortsuche über alle Verfahrensschritte bis zur aufwändigen Baulogistik.
Hinweise auf leeren Wohnraum und Mietangebote nimmt die Drehscheibe Wohnraum gerne entgegen.
Die Unterbringung von Geflüchteten ist nach dem Baugesetzbuch (§246 (10)) in einem bestehenden Gewerbegebiet zulässig - anders als beispielsweise allgemeine Formen des Wohnens. Daher ist keine Änderung des Bebauungsplans erforderlich, sondern nur ein normales Baugenehmigungsverfahren. In diesem Zusammenhang werden die direkten Angrenzer*innen formell beteiligt. Der Bauantrag läuft unabhängig vom ruhenden Verfahren zur Monteursunterkunft. Anders als in unserem Einladungsschreiben missverständlich formuliert wurden bisher noch keine baulichen Maßnahmen begonnen. Ein Umbau wird erst nach einem genehmigten Bauantrag begonnen.
Sowohl für die Anschlussleistung der Stromversorgung als auch für die Leistungsfähigkeit des Kanalsystems ist der zusätzliche Bedarf für die Unterbringung von 80 Personen nicht relevant. Der Strombedarf von Haushalten ist in diesem Quartier weitgehend vernachlässigbar (anders als die mehrfache Anschlussleistung für das Laden von E-Autos), für das Kanalsystem ist überwiegend die anfallende Regenmenge von Bedeutung, die aber durch die Nutzungsänderung nicht relevant verändert wird.
Im Zusammenhang mit der Unterbringung von Geflüchteten gibt es verschiedene Formen der Beteiligung. Neben dem Wiblinger Verfahren wurden weit über 100 verschiedene Standorte innerhalb der Verwaltung entschieden und ab einem Neueinzug von zehn Personen oder mehr der direkten Nachbarschaft zur Kenntnis gegeben. So wurde beispielsweise auch bei den größeren Standorten in der Wielandstraße und in der ehemaligen Technischen Hochschule in Böfingen mit jeweils rund 120 Personen verfahren, aber auch bei vielen kleineren Anmietungen in der Größenordnung von 10-50 Plätzen.
Der Gemeinderat hat am 24. April 2024 beschlossen, im Sozialraum West 250 Plätze für Geflüchtete zu schaffen. Die Standortsuche hierzu läuft mit Hochdruck und wird voraussichtlich im Herbst in einen intensiven Beteiligungsprozess vergleichbar mit Wiblingen münden.
Parallel hierzu wurde der Stadt die Johannesstraße 11 zur Miete angeboten. Das Angebot ist im Vergleich zu den Kosten der eigenen neuen Errichtung von vergleichbaren Gebäuden angemessen und durch die Übernahme der Umbauarbeiten durch den Eigentümer im Hinblick auf die städtischen personellen Ressourcen interessant. Das Mietverhältnis beginnt selbstverständlich erst nach Herstellung der Bezugsfertigkeit durch den Eigentümer des Gebäudes.
Da es sich hier um eine Entscheidung zur Anmietung handelt in einer aus Sicht der Verwaltung für das Umfeld noch verträglichen Größenordnung, und nicht um eine Standortdiskussion mit mehreren Alternativen, sah die Verwaltungsspitze in Abstimmung mit den Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderates folgenden Prozess der Information und Entscheidungsfindung vor:
• Am 20. Juni wurde im Stadtteilforum West (früher RPG) öffentlich über das Mietangebot informiert, auch der Vorstadtverein war zu dieser für jeden zugänglichen Sitzung gesondert eingeladen worden. Das Vorhaben und das Vorgehen wurden dort unterstützt.
• Am 8. Juli erfolgte eine Information der direkten Nachbarschaft, da Auswirkungen auf einen größeren Umkreis aufgrund der Erfahrungen an den anderen Standorten nicht zu erwarten sind.
• In Kenntnis der gesammelten Rückmeldungen des Stadtteilforum West und der direkten Nachbarschaft entschied der Hauptausschuss des Gemeinderats am 11. Juli 2024, das Gebäude in der Johannesstraße 11 anzumieten. Wie bei allen Grundstücks- und Mietangelegenheiten werden die Tagesordnungspunkte zum Schutz der betroffenen Interessen privater Eigentümer*innen nichtöffentlich behandelt und das Ergebnis im Anschluss öffentlich bekannt gemacht.
Die Zahl der Personen, die dort untergebracht werden, wird auf die für den Sozialraum geplante Zahl angerechnet.
Aufgrund der abschließenden Vorbereitungen konnte das Einladungsschreiben leider nicht früher vorbereitet und in der Nachbarschaft verteilt werden. Der Einwurf in die Briefkästen erfolgte am Freitag vor dem 8. Juli, was auch aus Sicht der Stadt definitiv zu spät anzusehen ist. Für diese sehr kurze Vorbereitungszeit möchten wir uns entschuldigen. Die fehlenden Informationen oder entsprechende Nachfragen werden gern auch direkt beantwortet. Eine weitere Informationsveranstaltung findet am 12. September von 19:30 Uhr bis 21 Uhr in der Mehrzweckhalle Weststadt (Molktestraße 10) statt. Noch vor den Sommerferien war aufgrund der kurzen Zeitspanne und den erforderlichen Vorbereitungen einer solchen Veranstaltung leider nicht mehr möglich.
Unabhängig von den Bemühungen der Verwaltung wurde jedoch das Einladungsschreiben durch uns nicht bekannten Dritten um falsche Inhalte ergänzt und in einem größeren Radius weiterverteilt. Diese Einladung ist nicht durch uns erfolgt und kam daher natürlich noch kurzfristiger.