Die Friedrichsau
Noch bevor sich die Ulmer*innen in der Friedrichsau entspannten und trafen, war das sogenannte „Steinhäule“ am östlichen Donauufer der Treffpunkt und das Ausflugsziel. Als Napoleon 1810 Ulm von Bayern in das Königreich Württemberg verlegte, verlor die Stadt ihre Gebiete jenseits der Donau. Die Donau bildete nun die Grenze zu Bayern. Somit konnten die Ulmer*innen nicht einfach mal zum beliebten „Steinhäule“ pendeln, denn die Grenzüberquerung nach der Verlegung gestaltete sich als sehr schwierig. Niemand ahnte zu dieser Zeit, dass Wasserfahrten zum Steinhäule erst wieder im Jahr 1828 möglich waren.
Viele Menschen dachten, dass das „Steinhäule“ als beliebtes Ausflugsziel so schnell nicht zu übertreffen wäre. Aber dann kam alles anders: Als Friedrich I. im Jahr 1811 insgesamt 2.000 Gulden für einen neuen „Spaziergang“ spendete, wurde dieser unter dem Namen „Friedrichsau“ angelegt. Innerhalb kürzester Zeit konnte die Friedrichsau zu einer gesellschaftsfähigen Anlage umgebaut werden. Auf einem künstlichen Hügel in der Au fand die Statue der römischen Jagdgöttin Diana ihren Platz, die extra für einen Königsbesuch angefertigt wurde. Zwar sind Statue und Hügel mittlerweile verschwunden, aber der Name des Platzes „Dianawiese“ erinnert heute immer noch an diese Statue.
Die Menschen, die ihren Lebensunterhalt durch die Fahrten zum Steinhäule verdient hatten, mussten flexibel sein: So auch der Gastronom Sigmund Clement, ein ehemaliger Schiffmann, der vorher die Fähre zum Steinhäule betrieben hatte. Er war nicht lange arbeitslos, denn er kümmerte sich fortan um die Gastronomie in der Friedrichsau.
Die Bürgerschaft nutzte die Anlage vielfältig aus, sodass sogar das Königliche Polizei-Ober-Kommissariat eine „Polizeiliche Bekanntmachung“ veröffentlichte, in der sie die Bürgerschaft auf „Ruhe, Sicherheit, Ordnung, Anstand und Sittlichkeit“ verwies, damit die Friedrichsau weiterhin ein Erholungsort für alle Ulmer*innen sein kann. Somit wurde die Polizeistunde eingeführt. Wer sich nicht an die vorgegebenen Zeiten hielt, galt als Nachtschwärmer und wurde sogar von der Polizei in Gewahrsam gebracht.
Im Sommer 1811 wurde von 20 Ulmern die Gesellschaft „Hundskomödie“ gegründet, die noch heute Bestand hat. Die Intention der „Hundskomödie“ ist nach wie vor, die ulmische Geselligkeit zu wahren und praktizieren. Die Mitgliederzahl war immer beschränkt auf 500, heute hat sie ca. 220 Mitglieder. Damals waren überwiegend Handwerker in dieser Gesellschaft aktiv, heute sind in ihr alle Gesellschaftsschichten vertreten. Die Mitglieder treffen sich in einem Gebäude mit Blick auf den großen See, in der Nähe des Westeingangs.
Zum Gedenken des Ulmer Feiertags Schwörmontag war 1840 die Friedrichsau das Ziel einer Fischerzunft mit dem Schiff. Der Schwörmontag wurde nach dem Ende der Reichsstadtzeit nicht mehr gefeiert. In den 1860ern fanden an diesem Tag karnevaleske Wasserfahrten statt, die letztendlich in der Au endeten. Daraus entstand eine Schwörmontags-Festkultur, in die sich insbesondere Vereine stark einbrachten. Bei diesen Feierlichkeiten waren Feuerwerke und das Abspielen des Fischermarsches um 23 Uhr die Höhepunkte. Die Friedrichsau gewann somit auch eine große Bedeutung bei der Ulmer Festkultur. Im 20. Jahrhundert feierten die Ulmer*innen den Schwörmontag wieder - auch auf dem Weinhof - aber diesmal mit den Festlichkeiten in der Friedrichsau.
Schon im Jahr 1852 entstanden zwei Seen durch einen Kiesbau: Die Obere und Mittlere Ausee, die um die Jahrhundertwende mithilfe eines Kanals verbunden wurden. In den Jahren 1852 bis 1854 wurde der Fort erbaut, der Teil der Bundefestung ist.
1910 wurde der Springbrunnen errichtet, bei dem das Wasser in über 22 Meter Höhe emporstieg. In insgesamt zehn Nebenarmen und einem Hauptarm werden in der Sekunde 50 Liter Wasser in die Höhe ausgeworfen. Im gleichen Jahr konnte ein Schützenhaus durch ein Seeparkrestaurant ersetzt werden, von dem die Gäste einen schönen Ausblick auf den Brunnen hatten.
Bereits 1927 eröffnet eine neue Straßenbahnlinie, die in die Friedrichsau ihren Halt hat. Im gleichen Jahr wurde im Zuge einer Tierschau ein Vogelhaus errichtet. Schnell kamen weitere Tiere wie Affen, Ziegen, Greif- und Wasservögel hinzu, gefolgt von einem Aquarium mit tropischen Pflanzen, exotischen Fischen und Schildkröten sowie Hirschen und Schafen. Der Ulmer Aquarien- und Terrarienverein brachte sich ein und richtete 1954 eine kleine Aquarien- und Terrarienschau ein.
Nach einem Brand im Jahr 1961 kamen wenige Jahre später ein Aquarium und zwei Jahrzehnte später ein Freigehege und Tropenhaus hinzu. Mit der Landesgartenschau 1980 konnte der Tiergarten ein Tropenhaus eröffnen.
1980 fand in Ulm und Neu-Ulm die bundesweit erste Landesgartenschau statt. Diese Gelegenheit nutzten die Stadtverwaltung und der Gemeinderat, um mit dieser Investition in langfristige Projekte für die Au zu investieren. Die Au konnte neu gestaltet und teilweise ausgebessert werden: Eine Kunstfigur sowie einige Kinderspielplätze, Sportanlagen, Kleinspielfelder und Minigolf schafften noch mehr Möglichkeiten, die Friedrichsau zu nutzen. Auch die Gaststätten der Au-Gesellschaften wie Hundskomödie, Liederkranz und Teutonia wurden modernisiert und mit idyllischen Biergärten ergänzt.
Auch der Tiergarten hat durch die Landesgartenschau profitiert, denn Aquarium und Terrarium zogen in die zoologische Einrichtung. Mittlerweile gibt es über 100 Tier- und Pflanzen-Exoten. Seit 2008 gibt es sogar einen Glastunnel, ein Donauaquarium mit heimischen Süßwasser-, Fried- und Raubfischen.
Heute ist die Friedrichsau die größte Parkanlage in Ulm. Durch das viele Grün, den alten Baumbestand, die kleinen Seen und die vielen interessanten Einrichtungen und Anlagen gilt es als Erholungsgebiet und steht für Ruhe, die geschwungenen Wege um die Gärten und Seen herum vermitteln Entspannung. In der Au gibt es rund 1.300 Bäume mit über 60 verschiedenen Baumarten. Darunter sind mächtige einheimische Exemplare wie Bergahorn und Eschen, aber auch Exoten wie Riesenmammutbaum und Trompetenbaum. Auf zahlreichen Natursteinstelen, die einen rund zwei Kilometer langen Baumlehrpfad bilden, werden sie den Betrachterinen und Betrachtern vorgestellt.
Die Augärten sind Überbleibsel des Vereinslebens des 19. Jahrhunderts. Aber nicht nur das. Gern wird auch vom „Ulmer Prater“ gesprochen. Es gibt mittlerweile eine angelegte Veranstaltungsinsel und es finden Volksfeste, Zirkusgastspiele, Open-Air-Konzerte statt. Im Sommer wird das „Ulmer Zelt“ errichtet und zahlreiche Bands und Events sind dort vertreten. Messen und Großveranstaltungen haben auf dem Ausstellungsgelände mit der großen Donauhalle und in den neun Messehallen Platz. Und bis heute ist die Musik am Schwörmontag geblieben, diesen besonderen Ulmer Tag lassen die Bürger*innen gerne an der Friedrichsau ausklingen.
Text: Denise Kleis