"Den Wandel zur Smart City gut bewältigen"

© STADTARCHIV ULM
Sabine Meigel war bis 31. Dezember 2024 Leiterin der Digitalen Agenda der Stadt Ulm und ist mittlerweile neue Leiterin des Amtes für Digitalisierung und IT der Stadt Konstanz. In einem persönlichen Gespräch schaut sie auf die Zeit bei der Digitalen Agenda zurück.
Sie haben 2018 die Digitale Agenda übernommen - wie war das?
Für Ulm ist der digitale Wandel schon seit gut 15 Jahren ein Thema, das konsequent vorangebracht wird. Ich bin damals in ein Testfeld eingestiegen, in dem wir mit einer großen Portion Pioniergeist, viel Motivation und viel Energie ans Werk gingen. Zunächst gab es erstmal mehr Fragen als Antworten. Digitaler Wandel, Smart City - wie passt das zu Ulm? Hier haben wir viel mit der Bürgerschaft diskutiert und danach Bereiche definiert und Ziele gesetzt. Ulm sollte auf der digitalen Landkarte sichtbar machen, eine digitale Modellstadt sein, das war die Zielvorgabe des demokratisch gewählten Gremiums. Daraus ergaben sich damals die Prioritäten, wie wir aufgestellt sein wollten, um diese Ziele zu erreichen.
Dabei war von Anfang an ein prägender Gedanke, die Ulmer Bürgerschaft in den Fokus zu und nicht darum neue Technologien um der Technologie wegen in Ulm zu etablieren - wir waren schon zum Start klar Nutzen-orientiert und haben für die Stadt sinnvolle Lösungen gemeinsam entwickelt. Das unterscheidet den "Ulmer Weg" von den Digitalisierungs-Vorhaben in vielen anderen Städten. Auf diesem Weg haben wir die gesamte Stadt mit all ihren Institutionen einbezogen und die Ulmer Bürgerschaft stets mitgenommen.
So kam es nicht von ungefähr, dass Ulm als eine der ersten Städte Deutschlands ein eigenes Datenethik-Konzept entwickelt und verabschiedet hat. Denn es braucht eine tragfähige Grundlage für die weiteren Schritte - Daten und der Umgang mit ihnen sind schließlich die zentralen Faktoren fürs Gelingen des digitalen Wandels. In Ulm war schon zuvor das Thema Digitalisierung vorangetrieben hatte - die Digitale Agenda war damals der folgerichtige Schritt, das Thema konkret zu strukturieren und in der Stadt zu verankern. Zunächst als Geschäftsstelle, später als Abteilung, die dem damaligen Oberbürgermeister Gunter Czisch zugeordnet war. Gunter Czisch war früh klar, wie wichtig der digitale Wandel für eine Stadt ist, die für ihre Bürgerschaft auch in Zukunft hohe Lebensqualität bieten will.
Daher ist die digitale Transformation in Ulm ein gemeinsames Projekt des gesamten Stadtkonzerns.
…der "Ulmer Weg" wurde wahrgenommen…
Ja, die deutsche Digitalisierungswelt wurde schnell auf Ulm aufmerksam - weil hier Projekte entwickelt und vorgeschlagen wurden, die überzeugten. So wurde ein Prozess angestoßen, der der für alle Seiten positiv lief: Wir wurden in Förderprogramme des Landes und des Bundes aufgenommen: zukunftskommune@bw, Zukunftsstadt 2030 des Bundesbildungsministeriums und schließlich die die Genehmigung für das "Modellprojekt Smart City", das mittlerweile beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen angesiedelt ist - gleich in der ersten Runde! Das waren für die Stadt große Erfolge. Die damit verbundenen Millionenförderungen haben es Ulm leichter gemacht, den Digitalen Wandel weiter voranzutreiben. Davon hat die Stadt profitiert. Ebenso von den guten Ergebnissen in den digitalen Städte-Rankings.
Man darf nicht verkennen: Die deutschen Kommunen stehen auch in einem Konkurrenzkampf - gute Arbeitsplätze sind wichtig für eine Stadt, die sich gut weiter entwickeln will. Unser Ruf als Leuchtturm für den Digitalen Wandel rundet das ohnehin schon überzeugende Portfolio mit unseren Hochschulen, der Wissenschaftsstadt und einem starken Wirtschaftsstandort ab. Ulm ist attraktiv für Menschen, die Zukunft gestalten wollen.
Wie sehen Sie heute Ulm im europaweiten Vergleich?
Kommunen in Europa im Smart-City-Kontext zu vergleichen ist schwierig, denn mehr noch als hier in Deutschland sind die Voraussetzungen für Europa höchst unterschiedlich, smarte Lösungen für Städte zu entwickeln und umzusetzen. Ulm hat 2021 trotzdem bewusst den Blick nach Europa gerichtet und den Austausch mit Städten und Regionen gesucht, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Der digitale Wandel ist keine nationale Angelegenheit.
So wurden viele Impulse gewonnen, es gab offenen Austausch, der Kreis der Experten, die hier helfen können, wurde erweitert- und es gab einige Themen, bei denen die Stadt mit Kommunen in Europa zusammenarbeiten konnte. Ulm wird also in Europa wahrgenommen - und Ulm nimmt die Smart Cities in Europa wahr. Das öffnet Türen - und bietet Chancen, die Ziele des digitalen Wandels auf breiterer Grundlage besser zu erreichen.
Gibt es ein Erfolgsgeheimnis?
In Ulm trafen mehrere Faktoren zusammen, die sich begünstigten. Die Stadt ist traditionell der Zukunft zugewandt - das zeigen ja schon die Geschichte, der Erfindergeist und die Schaffenskraft der Ulmer*innen, die schon immer lösungsorientiert gedacht und gehandelt haben und so auch Rückschläge verkraften konnten. Diese Offenheit ist ein guter Nährboden für gute Partnerschaften mit Vertreter*innen aus allen Bereichen der Stadtgesellschaft, mit deren Hilfe Projekte gut vorangebracht werden konnten und die mittlerweile zu einem starken, tragfähigen Netzwerk gewachsen sind, das selbstbewusst die Herausforderungen der Zukunft annimmt und meistern kann.
Das zeigte sich schon in den ersten gemeinsamen Projekten, die zum großen Teil heute fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens geworden sind. Der Prototyp der Mobilitätsstation am Eselsberg ist Vorbild für die Mobilpunkte an verschiedenen Stellen in der Stadt; oder die Musterwohnung, die gemeinsam mit der Agaplesion-Bethesda-Klinik entwickelt wurde, hilft auch heute Menschen, länger selbst bestimmt in den eigenen vier Wänden wohnen zu können. Das sind nur zwei Beispiele von vielen.
Ich habe festgestellt, dass mittlerweile in immer mehr Bereichen die Chancen erkannt werden, die der digitale Wandel bringen kann. Entsprechend wächst auch die Motivation aller Stakeholder, Projekte zu entwickeln und voranzubringen. Es ist natürlich erfreulich, dass dieser Weg Anerkennung gefunden hat - sei es im Smart City-Index oder in anderen relevanten Rankings. Viel wichtiger ist aber, dass über Ulms Grenzen hinaus wir als Gesellschaft den Wandel hin zur Smart City, zur Smarten Region und der vorteilsbringenden Vernetzung gemeinsam gut bewältigen.