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Schwörrede 2021

Oberbürgermeister Gunter Czisch ließ in seiner Schwörrede ein schwieriges Stadtjahr Revue passieren. Die Pandemie habe vielen vieles abverlangt. Nun aber wache Ulm wieder auf und befände sich trotz noch geltender Einschränkungen auf einem vorsichtigen Weg in Richtung Normalität. Wie gewaltig der Reformbedarf ist und wie wichtig eine stärkere Innovationskraft und eine Offenheit für Neues in unserem Land geworden seien, führe uns diese Pandemie vor Augen: "Corona verschafft uns die Chance, uns mental auf einen umfassenden Neustart in Staat und Gesellschaft einzustellen und diesen Neustart mutig anzugehen. Wir werden gestärkt aus der Krise hervorgehen und unsere eigenen Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen - das ist meine feste Überzeugung. Verlieren wir keine Zeit, packen wir’s an! Deshalb ist es gerade heute wichtig, uns immer wieder vor Augen zu führen, wer wir sein wollen: eine solidarische Gemeinschaft, die füreinander einsteht, die die Schwachen unter uns schützt und innerhalb der wir verantwortungsvoll handeln."

Im Anschluss an seiner Rede verlieh Oberbürgermeister Gunter Czisch die Medaille der Stadt Ulm. In diesem Jahr haben Frau Ann Dorzback, ehemalige jüdische Mitbürgerin, die sich um die Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen sowie im Kampf gegen den Antisemitismus verdient gemacht, und Prof. Dr.-Ing. Otto Künzel, ehemaliger Professor an der Technischen Hochschule Ulm und Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde und der Geschichte des Funkwesens, außerdem jahrzehntelanger Vorsitzender der Berblinger Jury, die Auszeichnung erhalten.

Bürgerinnen und Bürger,
sehr geehrter Herr Ehrenbürger,
sehr geehrte Frau Ministerin,
sehr geehrte Abgeordnete des Bundestages, der Landtage und der Kommunalparlamente,
verehrte Gäste aus nah und fern,

bevor ich mit der Schwörrede beginne, bitte ich Sie:
Lassen Sie uns in stillem Gedenken an die Opfer der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen kurz innehalten.
Viele Menschen haben ihr Leben verloren, auch in den Nachbarländern sind Todesopfer zu beklagen.
Wir trauen mit den Familien und Angehörigen. Hoffen wir, dass die richtigen Lehren aus dieser Katastrophe gezogen werden, damit sich so etwas nicht wiederholt. (Stille)
in diesen Sommertagen beginnen sich die Straßen, Gassen und Plätze unserer Stadt wieder mit Leben zu füllen. Wir alle atmen auf und spüren, wie sehr uns die kleinen Freiheiten des Alltags gefehlt haben: Ein entspannter Einkaufsbummel, ein spontaner Cappuccino im Straßencafé oder ein frisches Bier im Biergarten. Ulm wacht wieder auf und die angestaute Lebenslust wird unsere Stadt hoffentlich bald in die Normalität zurückbringen.
Noch allerdings zwingt uns Corona zu Einschränkungen. Es ist ein weiteres Jahr der schmerzlichen Entbehrungen, denn wir Menschen sind für "social distancing" nicht wirklich gemacht. Wir brauchen die echte Begegnung.
Besonders die junge Generation, die über ein Jahr auch auf Schule, Sport und Freizeit verzichten musste.
Versuchen wir Ältere, Verständnis aufzubringen, für den Drang nach Lebenslust und Feierlaune.
Die Einschränkungen gelten leider auch für unser Stadtfest. Auch dieses Jahr müssen Nabada, Lichterserenade und die vielen Feste und Veranstaltungen rund um den Schwörmontag ausfallen. Unser Fischerstechen muss auf das nächste Jahr - sein Jubiläumsjahr- verlegt werden.

Auch dieses Jahr dürfen sich nur 650 Ulmerinnen und Ulmer auf dem Weinhof zur Schwörrede versammeln. Dabei bekommt unser Schwörmontag seinen tieferen Sinn gerade durch die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger.
WEIL der Schwörmontag ein Fest der demokratischen Teilhabe ist, wollen wir auch unter Coronabedingungen möglichst viele Bürgerinnen und Bürger teilhaben lassen; nur eben über Live Stream. Wir grüßen deshalb vom Ulmer Weinhof aus alle, die heute zusehen und zuhören.
Die mittelalterlichen Schwörbriefe bezeugen eine frühe Form demokratischer Selbstverwaltung in Ulm. Sie belegen, dass die Demokratie in Ulm tiefe Wurzeln hat. Am heutigen Schwörmontag begehen wir also den Tag unserer Ulmer Demokratie.
Auch aus diesem Grund freuen wir uns sehr, dass die reichsstädtische Ulmer Schwörtagstradition im März von der deutschen UNESCO-Kommission als immaterielles Kulturerbe anerkannt worden ist, so wie auch die Tradition der Münsterbauhütte bereits zum immateriellen Kulturerbe gehört.
In den Medien war in den vergangenen Monaten immer wieder der Satz zu lesen, dass nach Corona alles anders werden wird. Die einen hörten bereits die verlockenden Klänge der klimaneutralen und ökologisch runderneuerten Gesellschaft. Andere wurden von der Schreckensvision eines App-gesteuerten Überwachungsstaates heimgesucht.
Die Geschichte lehrt uns, dass Dramatisierung eine zutiefst menschliche Reaktion auf Unsicherheit und Gefahr ist. Aber die Geschichte hält auch die beruhigende Botschaft für uns bereit, dass die prophezeiten Weltuntergänge dann doch ausbleiben.
Wie gewaltig der Reformbedarf ist und wie wichtig eine stärkere Innovationskraft und eine Offenheit für Neues in unserem Land geworden sind, führt uns diese Pandemie vor Augen. Corona verschafft uns die Chance, uns mental auf einen umfassenden Neustart in Staat und Gesellschaft einzustellen und diesen Neustart mutig anzugehen.

Wir werden gestärkt aus der Krise hervorgehen und unsere eigenen Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen - das ist meine feste Überzeugung. Verlieren wir keine Zeit, packen wir’s an!
Deshalb ist es gerade heute wichtig, uns immer wieder vor Augen zu führen, WER wir sein wollen: eine solidarische Gemeinschaft, die für einander einsteht, die die Schwachen unter uns schützt und innerhalb der wir verantwortungsvoll handeln.
Dies für unsere Stadt zu bekräftigen, ist eine wichtige Botschaft dieser Schwörfeier.
Natürlich hoffen wir, dass Corona nächstes Jahr Geschichte sein wird. Natürlich hoffen wir, dass wir dann unser Schwörfest in gewohntem Umfang feiern können. Aber ganz sicher können wir nicht sein.
Diese Pandemie hat viele Gesichter und Facetten. Wir spüren, es geht an die Substanz, bei manchen an die blanke Existenz.
Eine der traurigsten Nachrichten sind die Meldungen über die Verstorbenen der letzten Monate. Viele starben als Folge einer Corona-Erkrankung, andere wiederum unabhängig davon. Dies erinnert uns auch daran, wie wertvoll die Arbeit des Ulmer Hospiz ist, das sich seit 30 Jahren der Sterbebegleitung widmet.
Auch in diesen Stunden liegen hier in Ulm Menschen auf der Intensivstation und ringen um ihr Leben. Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte sind seit Monaten aufs Äußerste gefordert.
Letztes Jahr haben wir Heldinnen und Helden des Corona-Alltags zur Schwörfeier eingeladen, die aus der Bürgerschaft vorgeschlagen wurden. In diesem Jahr sind es die Beschäftigten der Corona-Intensiv-Stationen und des Impfzentrums in unserer Stadt, die wir mit einer Einladung zu dieser Feier besonders ehren möchten, stellvertretend für alle, die im Gesundheitswesen an vorderster Front bei der Bekämpfung der Pandemiefolgen arbeiten. Dazu zählen auch die Verantwortlichen und Beschäftigten in den ärztlichen Praxen, in Apotheken, im Gesundheitsamt, bei der Kreisärzteschaft, in den Teststationen und im Impfzentrum.

Ebenso vorbildlich und beispielgebend für das Land ist das Impfzentrum in der Messe Ulm. Fast 450.000 Menschen von Alb bis Bodensee haben das Angebot in Anspruch genommen und loben die engagierte Arbeit der Partner von Universitätsklinikum, Deutschem Roten Kreuz und Ulm Messe.
Ihnen allen, und den vielen, die sich von Beginn an über alle Maßen engagiert haben, gebührt unser aufrichtiger Dank.
Wir wissen, unser Kampf gegen das Virus kann nur erfolgreich sein, wenn sich möglichst viele impfen lassen. Deshalb ergeht auch heute der Aufruf: Lassen Sie sich impfen und werben Sie dafür bei jeder sich bietenden Gelegenheit!

Nutzen wir die Krise als Lehrmeister und lernen für die Zukunft. Es gilt, die Chancen zu ergreifen, neue Wege zu gehen, die unsere Lebensgrundlagen und unsere Wirtschaftskraft stärken.
Unsere Berufs-, Arbeits- und Lebenswelt, unser soziales Miteinander werden nicht mehr dieselben sein wie vor der Pandemie. Nur zwei Beispiele:
Veranstaltungen, Sitzungen, Meetings werden jetzt häufig virtuell abgehalten, das mindert den Raumbedarf, spart Zeit und verringert den Verkehr. In Zeiten erhöhter Klimasensibilität durchaus ein Argument.
Auch Homeschooling gehört dazu, wenngleich wir auch da ganz klar erkennen mussten, wo seine Grenzen liegen: Bildschirmunterricht von Zuhause taugt nicht auf Dauer, es trägt nicht zur Bildungs- und Chancengerechtigkeit bei.
Das sogenannte Homeoffice, die Büro-Arbeit von Zuhause hat sich oft bewährt.
Allerdings sagt der Name "Office": Es geht um Büroarbeitsplätze, nicht um die Arbeitsplätze in der Produktion und im Dienstleistungssektor. In der Stadt hat vieles wie gewohnt funktioniert, weil viele Menschen, zum Beispiel bei der Polizei, in der Nahversorgung und Logistik, im Nahverkehr oder den Entsorgungsbetrieben, Tag täglich vor Ort ihren Dienst geleistet haben.

Zu den Besonderheiten der Pandemiezeit gehört darum die oft gestellte Frage, wie es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land bestellt ist. Beklagt wird die Spaltung der Gesellschaft, der abnehmende soziale Zusammenhalt, die fehlende gesellschaftliche Solidarität.
Ob diese Behauptung so pauschal stimmt, ist fraglich. Es lässt sich nämlich auch das Gegenteil beobachten. In unserer Stadtgesellschaft hat die Pandemie auch eine bemerkenswerte Welle solidarischen Verhaltens ausgelöst.
Das Bild hat viele Facetten, denn unsere Gesellschaft ist vielfältig.
Der Zusammenhalt aber baut auf dem Gefühl der Zusammengehörigkeit auf, Teil einer Gemeinschaft zu sein, gemeinsame Werte zu teilen, Rechte und Pflichten zu haben, Verantwortung zu übernehmen.
Diese Regeln wiederum entstammen den kulturellen Vorstellungen, die eine Gesellschaft von einem guten Zusammenleben hat. Wer also dazugehören will, muss bereit sein, sich auf Vorstellungen einzulassen, die in Ulm geachtet und gelebt werden.
Denn: auch bei uns bilden sich Lager, ziehen sich viele in ihre eigenen Filterblasen zurück, wo man unter seinesgleichen bleibt, sich wechselseitig bestärkt in den eigenen, bereits verfestigten Überzeugungen. Dabei aber gänzlich vergisst, was eine der Grundvoraussetzungen demokratischen Miteinanders ist: das Bewusstsein, dass niemand im Besitz einer alleinigen und alleinseligmachenden Wahrheit ist.
Diese Erkenntnis mag manche ängstigen, die auf eindeutige, einfache Antworten hoffen, weil die Komplexität ihres Alltags sie überfordert, weil sie sich abgehängt fühlen.
Genauso irrational aber ist auch die elitäre Selbstgerechtigkeit derjenigen, die sich für moralisch überlegen halten, weil sie meinen, es besser zu wissen. Im Großen wie im Kleinen gilt: Hüten wir uns vor der Gefahr der gesellschaftlichen Abgrenzung.

Damit eine Gemeinschaft funktioniert, braucht es Toleranz und Respekt. Beides ist keine Einbahnstraße. Nur wer sein Gegenüber respektiert, kann selber Respekt erwarten. Auch Toleranz ist nichts, was nur immer die anderen aufbringen müssen. Keine Toleranz darf es geben, wenn es um Antisemitismus geht. Der niederträchtige Brandanschlag auf die Ulmer Synagoge ist ein aktuelles Beispiel dafür, wohin antisemitisches Denken führt. Dabei ist es ganz egal, aus welchen ideologischen Quellen es sich speist, gleichgültig ob es offen skandiert wird oder unterschwellig leise mitschwingt. Die Ulmerinnen und Ulmer sind bisher eindrucksvoll, mit Nachdruck und Entschiedenheit dem entgegengetreten und haben deutlich gemacht. Jüdisches Leben gehört zu Ulm!
Extrempositionen bringen uns nicht weiter. Sie sind auch kein Phänomen unserer Zeit. Auch im 14. Jahrhundert, zur Zeit des Kleinen und des Großen Schwörbriefs, waren die Interessenkonflikte, die innerhalb der Stadtgesellschaft aufeinanderprallten, enorm.
So wie sich die Ulmer Bürger damals darauf verständigt haben, wie sie ihre Konflikte friedlich lösen wollen, so gibt es heute einen einzigen, bei uns anerkannten Weg, Interessen auszugleichen, Entscheidungen zu treffen, die die Mehrheit richtig findet, mit denen aber auch die Minderheit leben kann: Demokratie.
Wir erinnern in diesem Jahr an die erste konstituierende Sitzung eines demokratisch gewählten Ulmer Gemeinderats nach der nationalsozialistischen Diktatur.
Vor knapp zwei Wochen haben wir mit einem Festakt an dieses für Ulm so wichtige Datum, den 6. Juli 1946, erinnert.
Obwohl damals die Amerikaner als Besatzungsmacht das Sagen hatten: Die Demokratie wurde in Ulm mit amerikanischer Hilfe wiedereingeführt, nicht erst erfunden. Die kommunale Selbstverwaltung gab es hier bereits seit 1818, das demokratische Männerwahlrecht seit 1849, das demokratische Frauenwahlrecht seit 1918.

Es waren die Nationalsozialisten, die die bestehende Demokratie -auch hier in Ulm- 1933 staatsstreichartig beseitigt haben. Wenn wir heute unsere Demokratie feiern, dann ist es daher wichtig, darauf hinzuweisen, wie verwundbar und fragil diese ist.
Wie schnell Demokratie verspielt werden kann und was dann geschieht, das erfahren wir eindrücklich im Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg, ein zentraler Erinnerungs-, Lern- und Bildungsort für uns heute und in der Zukunft.
Die freiheitliche Demokratie hat sich bewährt. Obwohl oder gerade weil sie manchmal komplizierter, langsamer, weniger rigoros ist als andere Staatsformen ist. Ihr verdanken wir ein dreiviertel Jahrhundert in Frieden, Freiheit und Wohlstand.
Die Pandemie hat zwar auch manche Schwäche offenbart -
aber nicht das Versagen demokratischer Strukturen. Demokratie lebt aber nicht nur in Gremien und Institutionen, sie muss auch im Alltag gelebt werden.
Nach 25 Jahren "Ulmer Dialogmodell" haben sich die Bürgerdialoge, die Sozialraumorientierung, die Soziale Stadt, genauso wie die Projekte "Demokratie leben", Quartier 2020 als Schlüssel erwiesen, demokratische Partizipation praktisch umzusetzen. Eine bedeutende Rolle beim Wiederaufbau einer demokratischen Nachkriegsgesellschaft hat in unserer Stadt die Ulmer Volkshochschule gespielt. Dort wurde leidenschaftlich für demokratischen Ideen gearbeitet, geworben und gestritten. Dieses Erbe ist Verpflichtung bis heute. Ebenfalls seit 75 Jahren gibt es die "Schwäbische Donauzeitung", die heutige Südwest Presse, und seit 50 Jahren gibt es ein Studio des Südwest Rundfunks in Ulm - auch die freie Presse ist ein unverzichtbares Element in einer Demokratie, sie ist angewiesen auf freie und wahrheitsgetreue Information. Die Demokratie braucht den unabhängigen Journalismus. Allen einen herzlichen Glückwunsch und Dank für ihr wichtiges Wirken.

Wenn wir an den demokratischen Neuanfang 1945/1946 erinnern, dann erinnern wir uns zugleich mit Beklemmung daran, dass Sophie Scholl und die Mitglieder der „Weißen Rose“ diesen nicht mehr erleben durften. Am 9. Mai wäre Sophie Scholl, die in Ulm wichtige Jahre ihres Lebens verbrachte, 100 Jahre alt geworden. Sie ist durch ihren Mut und ihre Wahrhaftigkeit bis heute ein Vorbild für uns.

Für die kommunale Selbstverwaltung bleibt es auch dabei. Sie hat ihre Funktionsfähigkeit bewiesen.
Vor Ort ist vieles abgefedert worden, was auf Bundes- und Landesebene nicht zu Ende gedacht oder unter Zeitdruck "mit heißer Nadel gestrickt" worden war.
Die Beschäftigten unserer Stadtverwaltung, unserer städtischen Gesellschaften und des Alb-Donau-Kreises haben alles gegeben, um die Pandemie in unserer Stadt und Region zu mildern und beherrschen zu helfen.
Deshalb möchte ich auch dieses Jahr unseren Beschäftigten im öffentlichen Dienst dafür herzlichen Dank sagen. Derselbe ausdrückliche Dank gilt auch allen Gemeinderätinnen und Gemeinderäten und den Mitgliedern der Ortschaftsräte, die tatkräftig und entschlossen nicht nur die coronabedingten Probleme angepackt haben.
Aber, wir haben gesehen, es knirscht in der Abstimmung von Bund und Ländern, es hakt bei der Einbindung der Parlamente, Hilfestrukturen springen zu langsam an oder werden zu zäh umgesetzt.
Wir haben gesehen, wie vor der zweiten Welle ein föderaler Überbietungswettbewerb um Erleichterungen aufkam. Statt die Warnungen der Wissenschaft ernst zu nehmen, haben sich immer wieder Halbherzigkeit und Schielen nach wohlfeilem Beifall breitgemacht.

Warum nämlich in unserer Schwesterstadt Neu-Ulm andere Beschränkungen notwendig gewesen sein sollen als in Ulm, das hat sich auch dem wohlwollendsten Beobachter nicht erschlossen. Gerne wären wir Modellregion gewesen, um zu zeigen, es geht auch einfacher, verständlicher und ohne Verwirrung durch Ländergrenzen.
Es hat sich nämlich gezeigt: Die Bürgerinnen und Bürger haben in jeder Phase der Pandemie in ihrer großen Mehrheit sehr viel Einsicht gezeigt.
Die Fairness gebietet es jedoch, auch festzuhalten: Es gab für die Bewältigung dieser Krise eben keine Blaupause und keinen bewährten Fahrplan, der nur hätte abgearbeitet werden müssen.
Über die berechtigte Kritik an der Impfstoffbeschaffung ist in den letzten Monaten genug gesagt worden. Die EU-Bürokratie war der Herausforderung offensichtlich nicht gewachsen.
Sie ist trotzdem KEIN Argument gegen die Europäische Union!
Nur ist nicht alles, was europäisch aussieht, in Brüssel auch gut aufgehoben. Die Impfstoffbeschaffung ist vielmehr ein Argument FÜR eine sinnvolle europäische Arbeitsteilung. Diese Arbeitsteilung ist in der europäischen Verfassung unter dem Begriff des Subsidiaritätsprinzips übrigens fest verankert, also keine Erfindung von EU-Kritikern.
Es geht nicht um EU oder Nationalstaat, sondern um EU und Nationalstaat. Dazu braucht es aber eine grundlegend reformierte EU, die wieder zum Gleichgewicht zwischen nationalen Zuständigkeiten und einer sinnvollen europäischen Regelungskompetenz zurückkehrt.
Gerade wir in Ulm sollten darüber hinaus nicht vergessen, wie viel von Seiten der EU zur Donauraumstrategie beigetragen wurde, die in diesem Jahr zehn Jahre alt wird.
Unser engagierter Beitrag zu dieser europäischen Strategie macht uns stolz und motiviert uns, weiter an dieser großen Mission mitzuarbeiten.

Wir in Ulm und der Region wissen um den Wert von Frieden und Freiheit, die in Europa erst möglich wurden, weil die Donau wieder zu einem verbindenden, im besten Wortsinn "europäischen" Fluss wurde.
Ich freue mich, dass wir dies im nächsten Jahr wieder mit unseren Freunden entlang der Donau beim Internationalen Donaufest feiern dürfen. Aber es geht um mehr als gemeinsame Feiern, so schön und wichtig diese auch sind. Es geht auch um schwierige Themen, die wir im Donauraum gemeinsam angehen. Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung, die vor Grenzen nicht Halt machen, zählen dazu.
Wichtige Anlaufstelle, um Themen im Donauraum umzutreiben, Projekte an zu stoßen, Lösungen zu suchen, ist das Donaubüro Ulm/Neu-Ulm. Wer verstehen will, warum die Beziehungen Ulms in den Donauraum so eng sind, besucht ab Februar nächsten Jahres das umfassend modernisierte Donauschwäbische Zentralmuseum.

Bessere Bildung, mehr Chancengerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe und Zusammenhalt, ein entschlossenes Vorgehen gegen den Klimawandel und ein Verbinden von technischem und sozialem Fortschritt sind Herausforderungen, die wir bewusst annehmen und denen wir uns als Stadt stellen. Sicher, die Pandemie hat Spuren hinterlassen. Trotzdem: Kurzarbeit oder die massenhafte Gefährdung beruflicher Existenzen liegen hoffentlich bald hinter uns. Viele sind bereits mitten in der Krise kreativ neue Wege gegangen und freuen sich über die Treue ihrer Kunden. Mit der Kampagne „Im Herzen von Ulm“, mit der Ausweitung der Außengastronomie, und einem Maßnahmenbündel für die Aktivierung des Tourismus besonders im Blick auf nachhaltige und smarte Angebote, zeigen Stadt, Handel, Hotellerie und Gastronomie wohltuenden Zukunftsoptimismus. Auch wenn wir noch einige Veranstaltungen wie das Fischerstechen oder den Landesposaunentag verschieben müssen: Wir laden alle schon jetzt herzlich ein, wieder in unsere Stadt zu kommen. Ulm freut sich auf Sie!

Die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen, die positiven Signale am Arbeitsmarkt mehren sich, das spricht für eine robuste wirtschaftliche Verfassung unserer Unternehmen. 95.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gibt es in Ulm, 20 Prozent mehr als vor 20 Jahren. Ein funktionierender Sozialstaat, Mitbestimmungsrechte und Tarifverträge, das wichtige Kurzarbeitergeld, alles dies sind Instrumente, die mit dafür gesorgt haben, dass wir wirtschaftlich und sozial einigermaßen auf Kurs geblieben sind. "Solidarität", das ist seit 130 Jahren so etwas wie der "Markenkern" der Gewerkschaftsbewegung. Deshalb: Gratulation zum hundertjährigen Jubiläum des Haus der Gewerkschaften in Ulm. Das Eingreifen von Bund und Ländern, so richtig es war, hat allerdings auch seinen Preis: Der Staat hat sich hoch verschuldet und große Haushaltslöcher in Kauf genommen, um diese Krise bewältigen zu können. Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit erfordern es nun, schnellstmöglich zu einer soliden Finanzpolitik zurück zu kehren, die den nachfolgenden Generationen keine Schuldenberge hinterlässt. Auch wir in Ulm müssen in den kommenden beiden Jahren den Stadthaushalt um 5 Mio. EUR entlasten, weil unser strukturelles Defizit unaufhörlich wächst. Unser Ziel bleibt, dauerhaft nicht mehr auszugeben, als wir einnehmen. Dennoch gibt es Anlass, zuversichtlich zu bleiben. Ulm ist eine Powerstadt. Wir haben uns diese Kraft auch in der Pandemie bewahren können. Gerade wegen unserer soliden und verlässlichen Finanzpolitik. Trotz Konsolidierung wollen wir aber bei Sanierung und Modernisierung der städtischen Infrastruktur, der Straßen und Brücken, der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen nicht nachlassen. Sanierung vor Neubau!

Dafür investieren wir in den nächsten zehn Jahren Dreiviertel unserer Investitionsmittel. Auf hohem Niveau sind weiterhin die Ausgaben für Betreuung in Schulen und Kitas: Waren es vor zehn Jahren noch 20 Millionen Euro, so sind es inzwischen 50 Millionen jedes Jahr, die wir in diesen wichtigen Bereich jährlich zuschießen. Wenn der Bund aber nun einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung in den Grundschulen einführt, dann genügt es nicht, diesen Anspruch in ein Gesetz zu gießen, sondern er muss auch für die Finanzierung sorgen. Ähnlich ist es beim ÖPNV: Das Ziel des Landes, den Nahverkehr bis 2030 zu verdoppeln, fördert die Mobilitätswende. Für die Finanzierung sollen wieder einmal hauptsächlich die Kommunen sorgen. Es ist aber ein Gebot der Transparenz, offen zu sagen, es wird viel Geld kosten und die Abgaben- und Steuerlast erhöhen, die alle trifft, ob sie vom Ausbau profitieren oder nicht, ob ihr privater Geldbeutel gut gefüllt ist oder nicht. Der Aufgabe muss auch das Geld folgen, erst dann ist ein Versprechen glaubhaft und nachhaltig. Wer bestellt, zahlt auch die Rechnung.

Beispielsweise in der Bildung. Schule ist nicht nur zentraler Lernort, sondern auch ein Ort des Lebens und der sozialen Begegnung. Das hat die Pandemie uns vor Augen geführt. Dabei dürfen wir unseren Kindern und Jugendlichen durchaus etwas zutrauen. Sie sind widerstandsfähiger und lebenstüchtiger, als wir Erwachsenen manchmal glauben. Doch die Kinder, die mit der Krise schlechter zurechtgekommen sind, brauchen unsere besondere Unterstützung. Gleiche Chancen für alle, unabhängig von der sozialen Herkunft, das ist gerade jetzt das Gebot der Stunde. Brüche in Bildungsbiographien und in der sozialen und emotionalen Entwicklung müssen verhindert werden. Neue Wege gehen, also "Ulmer Modelle" zu entwickeln, ist unser Anspruch. Vor 50 Jahren begann das "2. Ulmer Modell" der Anna Essinger Schulen mit wegweisenden pädagogischen Konzepten.

Damals war der Ganztagsbetrieb modellhaft, heute verfügen wir über 37 Mensen an Schulen, die zum Ganztagestrieb gehören, und wir haben in den vergangenen Jahren die Betreuungsangebote flächendeckend massiv ausgebaut. Es ist an dieser Stelle angebracht, auch den Eltern und der Lehrerschaft zu danken, für das, was sie in den zurückliegenden Monaten ausgehalten und für das, was sie geleistet haben. Viele Familien haben die Bildungsarbeit der Kinder mit dem Homeoffice der Eltern in Einklang bringen müssen. Es ist beeindruckend, wie viel Einsatz und Improvisationsgabe unsere Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher und unsere Betreuungskräfte aufgebracht haben, um ihren Auftrag zu erfüllen. Gute Beispiele sind der Online-Unterricht mit "Ulm-lernt" und die wichtigen Angebote für Notbetreuung. Was die Digitalisierung der Schulen angeht, hat die Stadt noch einmal draufgelegt. Bis 2022 wollen wir alle Schulen mit Breitbandanschluss versorgen. 4.000 neue mobile Endgeräte, CO2 Ampeln in den Klassen und Leih-Tablets für Kinder und Jugendliche sind Beispiele für Anstrengungen, die -das gehört erwähnt- auch aus Mitteln des Digitalpakts des Bundes und aus dem Corona-Fonds des Landes mitfinanziert wurden. Darum ein Dankeschön nach Berlin und Stuttgart! Die Umsetzung des Konzepts "Internationale Stadt" geht voran. Dazu gehören unser städtisches Team "Chancengerechtigkeit und Vielfalt" und die Unterzeichnung der "Charta der Vielfalt". Wie dies gelingen und gelebt werden kann, dafür steht der Rat der Religionen. Ihm und den Mitgliedern des Internationalen Ausschusses und den Engagierten bei "Jugend aktiv" gilt unser herzlicher Dank für ihren bürgerschaftlichen Einsatz.

Die Tatsache, dass bürgerschaftliches Engagement bei uns einen so großen, überdurchschnittlichen Stellenwert hat, ist Ausdruck unserer Ulmer Identität.

Die Kirchen und Stiftungen, die Kultur-, Sport-, Musik-, Sozial- und Brauchtumsvereine, der Stadtjugendring, die Verbände der freien Wohlfahrtspflege, die vielen Freiwilligendienste und Selbsthilfegruppen und unsere Bürgerstiftung– sie alle stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dafür von Herzen ein großes Dankeschön! Wir freuen uns über Gelungenes, wie die neue Hauptorgel in Wiblingen, die die Basilika St. Martin nun dank der vielen Unterstützer klanglich vollendet. Beweis für einen starken Bürgersinn ist auch der Spendenrekord der Aktion 100.000 und Ulmer Helft zum 50. Jubiläum der Aktion. Wir wissen natürlich, wie schwer die Pandemie unseren Vereinen zugesetzt hat. Ihre treuen Mitglieder und der Beitrag der Stadt, Zuschüsse auch dann auszuzahlen, wenn entsprechende Angebote nicht möglich waren, haben geholfen, Existenzsorgen zu mildern. Wir werden auch jetzt, wo es wieder losgeht, helfen. Hoffen wir, dass das vielfältige Leben und die gemeinsamen Aktivitäten in den Vereinen, die uns so gefehlt haben, nun rasch wieder Fahrt aufnehmen. Die Stadt tut etwas dafür, beispielsweise mit hohen Zuschüssen für Sanierung oder Modernisierung von Gebäuden und Anlagen. Auch an den Projekten „Orange Campus der Basketballer“, Sportopia des TSG Söflingen, am Umkleidegebäude unserer Fußballer, am Jahnsportpark des SSV 1846 und an der Vereinsentwicklung des VfB Schwarz Rot vom Eselsberg ist die Stadt aktiv beteiligt. Der SSV Ulm 1846 kann seinen 175. Geburtstag pandemiebedingt leider nur in kleinem Rahmen feiern, der Freude darüber und dem Stolz auf diese lange Vereinsgeschichte wird das aber sicherlich keinen Abbruch tun! Herzlichen Glückwunsch. Nicht vergessen dürfen wir die wohnungs- und obdachlosen Menschen in Ulm. Auch für diese Personengruppe haben sich Mitbürgerinnen und Mitbürger eingesetzt und unter schwierigeren Bedingungen der Pandemie zum Beispiel Essen und Unterstützung organisiert.

Beim Stichwort Engagement denke ich natürlich auch an die alten Menschen, die eine besonders verletzliche Personengruppe in der pandemiegeplagten Gesellschaft sind. Zunächst einmal bin ich sehr dankbar dafür, dass es bei uns vergleichsweise wenig Corona-infizierte Seniorinnen und Senioren gab und sie mittlerweile überwiegend geimpft sind. Ob in Einrichtungen, Kliniken, Sozialstationen oder im Ehrenamt, viele haben Sorge getragen, dass Pflegebedürftige, Kranke und Infizierte zu jeder Zeit gut versorgt waren. Es haben sich sehr viele Freiwillige gefunden, die Menschen über 80 alltagspraktisch unterstützt haben, Termine vereinbarten, Fahrten zum Impfzentrum organisierten oder begleiteten. Auch ohne Pandemie gibt es Menschen, die im Schatten stehen. Dazu zählen viele Ältere mit geringer Rente oder Menschen mit Behinderung. Oder Menschen aus anhaltend prekären wirtschaftlichen Verhältnissen. Sie brauchten unsere Solidarität vor der Pandemie, sie brauchen sie auch über die Pandemie hinaus. Es sind gerade die zahlreichen unterschiedlichen, oft von Privaten angestoßenen Initiativen und unsere Vereine, die eine breite Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben unserer Stadt ermöglichen.

Die Männer und Frauen, die immer wieder ihr eigenes Leben riskieren, um Leib und Leben anderer, um Hab und Gut zu retten, waren natürlich auch jetzt bei den Starkregenereignissen helfend zur Stelle. Das Zusammenwirken mit den hauptamtlichen Feuerwehrbeamten im Ulmer Modell hat sich bewährt - diese Konstruktion sorgt für eine starke Verbindung zwischen Bürgerschaft und "ihrer" Feuerwehr. 1.900 Einsätze leistet unsere Feuerwehr jedes Jahr. Ihre jeweils eigene Feuerprobe hatten im vergangenen Stadtjahr auch die anderen Blaulichtorganisationen zu bestehen. Öffentliche Sicherheit und der Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum der Bürger waren bei unserer Polizei, den Rettungsdiensten, dem Rotem Kreuz und dem THW auch in der Pandemie gut aufgehoben.

Der Schwörmontag bietet den würdigen Rahmen, uns als Bürgerschaft bei allen Männern und Frauen zu bedanken, die sich selbstlos in unseren Hilfsorganisationen engagieren! Und um daran zu erinnern, dass ihr Engagement keine Selbstverständlichkeit ist. Als umso schlimmer empfinde ich die sich häufenden Berichte über Gewalt gegenüber Helfenden, aber auch gegenüber Angehörigen der Polizei und von medizinischen Notfallteams. Das ist nicht hinzunehmen! Ein ganz großer Dank geht heute auch an die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Wir können auf die medizinischen Fähigkeiten unseres Bundeswehrkrankenhauses zählen. Wir sind aber auch dankbar für die Soldatinnen und Soldaten, die in Pflegeeinrichtungen und bei der Kontaktnachverfolgung unterstützt und dadurch die angespannte Lage wesentlich entschärft haben. Ulm ist nicht nur ein bedeutender Standort der NATO, unsere Soldatinnen und Soldaten sind auch helfend vor Ort als Teil der Stadtgesellschaft, wenn "Not am Mann" ist. Das haben sie erneut bewiesen.

Dieses Ziel ist die sozial, kulturell und ökologisch integrierte Stadt, die technologisch fortschrittliche, effiziente und wirtschaftlich leistungsfähige Smart City. Die Landesgartenschau 2030 spielt dabei eine Hauptrolle für eine zeitgemäße, urbane Stadt. Sie ist das zentrale Stadtentwicklungsprojekt der nächsten zehn Jahre. Bundesfestung und Wilhelmsburg prägen das Stadtbild. Sie warten nur darauf, wieder sichtbar, erlebbar und nutzbar gemacht zu werden. Wir stärken mit der Landesgartenschau die Biodiversität, das Stadtklima, wir schaffen Erholungsflächen und mehr Grün.

Wir freuen uns aber auch, dass sich die Anstrengungen der letzten Jahre rund um den Bahnhof gelohnt haben. Die Sedelhöfe werden nach und nach bezogen, im Herbst wird die neue Tiefgarage unserer PBG vor dem Bahnhof in Betrieb gehen, im nächsten Jahr werden der neue Bahnhofsplatz und die Neubaustrecke nach Stuttgart eröffnet. Danke an alle, die dies ermöglicht, aber auch an diejenigen, die Baulärm, Dreck und Stau mehr oder weniger klaglos erduldet haben. Unser Ziel bleibt: Wir wollen weiterhin ein zeitgemäßes Bahnhofsgebäude und wir werden in unserem Drängen gegenüber der Bahn nicht nachlassen. Der Innenstadtdialog Ulm 2030 geht weiter. Genauso wie wir uns nun vorgenommen haben, die Fußgängerzone vom Bahnhof bis zum Münsterplatz neu zu gestalten und dabei mit unserer SAN und einem Sanierungsgebiet private und öffentliche Mittel für dieses ambitionierte Projekt zu gewinnen.

Ulm, das sind auch die Stadtteile und die Ortschaften: unverwechselbar, authentisch. Sie verfügen über gewachsene Strukturen in Vereinen, Kirchen und Nachbarschaften. Deshalb wollen wir die Entwicklung der Ortskerne für die Innenentwicklung vorantreiben. Betreutes Wohnen und Tagespflege, neuer Wohnraum in Mehrfamilien- wie in Einfamilienhäusern gehören dazu. Den Ortschaftsrätinnen und Ortschaftsräten für ihr Wirken herzlichen Dank und ein besonderer Glückwunsch nach Jungingen, wo in diesem Jahr 50 Jahre Eingemeindung gefeiert wird (ich hoffe und bin da zuversichtlich: Die Junginger bereuen ihre damalige Entscheidung bis heute nicht).

Die steigende Zahl der Wohnungssuchenden lässt uns keine Atempause. Unser Motto heißt: bauen, bauen, bauen.

Wir hatten uns das Ziel gesetzt, bis 2021 3.500 Wohneinheiten neu zu ermöglichen, was nicht ganz erreicht wurde. Bis 2025 sollen es 5.300 Wohnungen werden, bei größeren Projekten mit einem Drittel geförderten Wohnraum. Die Pandemie hat auch den Wohnungsmangel noch deutlicher sichtbar gemacht. Ich appelliere daher auch an dieser Stelle an die Eigentümer: Bitte lassen Sie keinen Wohnraum leer stehen, bitte vermieten Sie. Auch bei der städtischen Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft steigt die Zahl der Wohnungsinteressenten, obwohl die UWS wie nie in ihrer Geschichte investiert: mehr als 50 Mio.EURO pro Jahr gehen in Neubauten. Insgesamt sind 426 Wohnungen, drei Kindertageseinrichtungen, ein Verbrauchermarkt und Büroräume mit einem Investitionsvolumen von insgesamt rund 185 Millionen Euro im Bau. Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, war und ist auch Zweck der „Ulmer Heimstätte“, die dieses Jahr 125 Jahre alt wird. Herzlichen Glückwunsch!

Um auch morgen noch mitspielen zu können im Reigen der erfolgreichen Regionen, müssen wir schon heute dafür sorgen, dass Ulm ein Ort wettbewerbsfähiger Unternehmen und Arbeitsplätze bleibt. Die Stadt kann wertvolle Unterstützung bieten. Dazu zählen zum Beispiel eine transparente und bürgerfreundliche Verwaltung, eine gute städtische Infrastruktur sowie stabile und günstige Steuern und Gebühren. Dazu zählen in Ulm aber auch eine vorausschauende aktive Bodenpolitik und eine schlagkräftige Wirtschaftsförderung, die fest in einer interkommunalen Zusammenarbeit verankert ist. Im vergangenen Stadtjahr wurden 27 Hektar Flächen erworben und genauso viel für Wohnbau und Gewerbeentwicklung zur Verfügung gestellt. Ansässige Unternehmen und solche, die sich erst hier ansiedeln wollen, suchen neue Gewerbeflächen. Deshalb erschließen wir an der A8 das Gewerbegebiet Himmelreich mit insgesamt 63 Hektar.

Hinzu kommt die Entwicklung von Lösungen aus einer Hand. Dafür steht die städtische Projektentwicklungsgesellschaft. Auf der Grundlage des Masterplans Wissenschaftsstadt wird entwickelt und gebaut, für Unternehmungen, die sich mit Quantentechnologie, Künstlicher Intelligenz oder der Fabrik der Zukunft beschäftigen. Ein etwas ungewöhnliches PEG-Projekt ist der Neubau der Wasserrettungswache der DLRG an der Donau. Die Lebensretter begehen in diesem Jahr das 100jährige Jubiläum ihrer Gesellschaft. Herzlichen Glückwunsch! Wichtiger denn je ist unser regionales Innovationsnetzwerk und die fruchtbare Zusammenarbeit in der Region. Wissenschaft, Kammern, Kommunen und Landkreise in der Region ziehen an einem Strang. Wir sind ein Wirtschaftsraum. Dafür stehen seit über 20 Jahren der Stadtentwicklungsverband Ulm/Neu-Ulm, die Innovationsregion Ulm, das Bio Pharma Cluster, die TFU und neue Kooperationen wie das Digitalisierungszentrum Ulm/Alb/Donau/Biberach, aber auch der Verbund von Unternehmen in "Donautal-Connect". Im digitalen Wandel sind wir Vorreiter. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, digitale Vorzeigestadt in Deutschland zu werden. Wir verknüpfen Digitalisierung mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz, denken und handeln im Sinne des "Green Deal" über den Tellerrand einer technischen Entwicklung hinaus. Um diesen Anspruch in die Tat umzusetzen, brauchen wir eine flächendeckende und leistungsfähige digitale Infrastruktur, Digitalisierung der Verwaltung und aller Verwaltungsprozesse. Die Wege dazu haben wir in einer "Digitalen Roadmap" festgehalten. Unsere Pläne hin zur digitalen Stadt werden von Bund und Land mit hohen Fördersummen unterstützt. Das ist Auszeichnung und Ansporn zugleich! Dass wir als Teil der Präsentation unseres Landes mit dem Ulmer LoRaWAN zusammen mit der initiative.ulm.digital auf der Weltausstellung in Dubai vertreten sind, ist eine besondere Anerkennung unserer Initiativen.

Andere Zukunftsthemen wie Wasserstoffregion, 5G-Modellregion oder Künstliche Intelligenz treiben wir im regionalen Innovationsnetzwerk voran. Wir haben unsere Stärken in der Biopharmazie, in der Batterieforschung; in der Brennstoffzellen- und Wasserstofftechnologie; in Forschung und Entwicklung von Energiespeichertechnologien. Die Brennstoffforschungsfabrik am ZSW ist im Bau. Wir freuen uns über den Aufbau eines Transferzentrums für Datenanalyse in der Region, über die Eröffnung des neuen Hochschulgebäudes der Technischen Hochschule Ulm am Eselsberg und über die im Donautal im Bau befindliche 500 Millionen Euro teure Biotechanlage. Ulm wird zusammen mit Tübingen Standort des Nationalen Zentrums für Tumorerkrankungen und wird Standort des Deutschen Zentrums für Kinder- und Jugendgesundheit Künstliche Intelligenz "made in Ulm" wird künftig zum Alltag gehören. Ulm wird Hauptstandort für die Entwicklung des Quantencomputers, und das neue Institut für Quantentechnologien auf dem Oberen Eselsberg zieht die Aufmerksamkeit für Fachkräfte im weltweiten Wettbewerb auf Ulm. Die Wissenschaftsstadt ist seit über 30 Jahren der Motor für Ulm Die Wissenschaftsstadt ist eine Geschichte von Mut und Weitblick. Und wir dürfen mit Optimismus sagen: Sie geht weiter!

Unsere Stadtwerke haben sich über die klassischen Geschäftsfelder hinaus schon längst zum Aktivposten für Digitalisierung und Klimaschutz entwickelt: Sie treiben den Glasfaserausbau ebenso wie die Mobilitätswende voran. Sie investieren in Versorgungssicherheit und Klimaschutz jährlich bis zu 50 Millionen Euro. Die weiteren Ziele sind ambitioniert: Ausbau der Erneuerbaren Energien, Wasserstoff-ready im Gasnetz und Reduzierung des CO2-Fußabdrucks, um bis 2030 klimaneutral zu sein.

Die schreckliche Flutkatastrophe führt uns dies vor Augen. Wohl aber über die besten Wege und kluge Lösungen. Ulm hat bereits viel unternommen in Sachen Klimaschutz, das Thema steht seit mehr als 25 Jahren weit oben auf unserer politischen Agenda, wie das 25. Jubiläum der Solarstiftung zeigt. Zu erwähnen sind die Allianz für Entwicklung und Klima, eine Ulmer Initiative, und der Verein „Global Energy Solutions“ zur Erforschung synthetischer Kraftstoffe und zukunftsweisender Energiekonzepte. Ich denke an das Handlungskonzept Klimaschutz 2030 oder an unser energiepolitischen Arbeitsprogramm, den Ausbau der Fernwärme und der Photovoltaik, die uns regelmäßig Spitzenpositionen in der Solarbundesliga bescheren, oder den European Energy Award, bei dem wir uns hoffentlich bald als "goldwürdig" erweisen. Wir verfolgen einen kommunalen Wärmeplan, der bis 2030 die klimaneutrale Wärmeversorgung in der Stadt realisieren soll. Unser Ziel ist, bis 2050 im Gebäudebestand klimaneutral zu sein. Beim Ausbau der Photovoltaik gehen wir in die Offensive: Der Gemeinderat hat den Beschluss gefasst hat, die derzeit installierte elektrische Leistung bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln. Zu guter Letzt möchte ich den Klimabeirat erwähnen, den wir im Mai berufen haben und dessen Aufgabe es ist, uns auf dem Weg zur Klimaneutralität zu beraten.

Gerade das Thema Mobilität wird die Stadtpolitik in den nächsten Jahren maßgeblich bestimmen, deshalb haben wir ein Handlungskonzept Mobilität aufgelegt. Unser Ziel ist ein umwelt- und stadtverträglicher Verkehr. Dazu brauchen wir eine Mobilität, die unseren Bürgern eine breite Auswahl gleichwertiger und attraktiver Möglichkeiten eröffnet. Dazu gehören der öffentliche Verkehr, der Verkehr von Radfahrern und Fußgängern, E-Tretroller- und Bike- sowie CarSharing, ein Mietsystem für E-Lastenräder, Ladestationen für Elektrofahrzeuge, ein Fahrradverleihsystem, die brandneue SWU-App und unsere neuen Mobilitätsstationen in den Stadtteilen. Die saubere, leise und grüne Innenstadt erfordert aber auch Entscheidungen, die Konflikte mit sich bringen und die ihren Preis haben, wie dies in der Neuordnung des Parkraummanagements sichtbar wird. Der öffentliche Raum ist ein knappes Gut und zu wertvoll, ihn zuzuparken. Darum bauen wir neue Tiefgaragen. Dann muss auch das Anwohnerparken, das seit 40 Jahren im Preis gleich geblieben ist, angemessen teurer werden. Mobilität wird also individueller und vielfältiger, vernetzter und digitaler. Mobilität neu denken, kann heute nur in enger regionaler Zusammenarbeit der Städte und Landkreise gelingen Die Erweiterung bis zur Ost-Alb und Zusagen der Länder geben der länderübergreifende Regio-S-Bahn Schub. Vorbild ist die elektrifizierte Südbahn, die Ende des Jahres in Betrieb geht. Ebenso ein gemeinsamer Nahverkehrsplan und ein Stadtverkehrsnetz für die Doppelstadt und eine Reform des Nahverkehrsverbundes sind heute selbstverständliche Ziele. Wenn der Nahverkehr im Land bis 2030 doppelt so viel leisten soll, dann bedarf es eines gemeinschaftlichen Kraftaktes.

Denn gerade hier haben wir in der Pandemie einen Rückschlag erlitten. Fast um die Hälfte sind die Fahrgastzahlen zurückgegangen. Ein herber existenzbedrohender Schlag für die Verkehrsunternehmen. Deshalb herzlichen Dank an Bund und Land für den aufgespannten Rettungsschirm für den Nahverkehr.

Was das bedeutet, haben wir erlebt, als es dies alles plötzlich nicht mehr gab: keine Ausstellungen, Theater, Konzerte. Wir haben erlebt, wie wichtig und "relevant" das Kulturleben in unserer Stadt ist. Leider ist die Durststrecke noch nicht zu Ende. Schwierig ist vor allem die Situation für Künstlerinnen und Künstler aus der freien Kulturszene und für die Dienstleister in der Eventbranche. Nicht alle werden in diese Branche zurückkehren. Solche harten Schläge kann natürlich auch die Stadt nicht auffangen, sondern allenfalls abmildern. Bis zur Normalität im Kulturleben ist es also noch ein weiter Weg. Schmerzliche Symptome dafür sind die Absage der Zelt-Saison, die weitere Verschiebung von Open-Air-Konzerten, aber besonders der Verlust der vielen kleinen Kultureinrichtungen und Aktivitäten, die zum Erliegen gekommen sind. Auch nach der Pandemie wird die Kultur in Ulm für eine längere Übergangszeit noch finanzielle "Infusionen" brauchen. Die Stadt wird deshalb weiterhin ihre Unterstützungszusagen verlässlich einhalten -immerhin 1,9 Millionen Euro für 140 Projekte - die auch dann fließen, wenn Angebote coronabedingt nicht wie geplant möglich waren. Dankbar sind wir, zu sehen, mit welch unglaublichem Tatendrang, Mut und Ideenreichtum die Ulmer Kulturschaffenden gegen die Krise ankämpfen. Wunderbare Beispiele sind der "Kultursommer", die Denkanstöße, der Kulturspeicher und das Kulturprogramm in der Wilhelmsburg sowie unzählige neue digitale Angebote. So gibt es auch 2021 Musik jeder Art, bildende Kunst, Installationen, Tanz und Theater. Wir danken dem Land für die Möglichkeit, das Musical "Dracula" auf der Wilhelmsburg als Modellprojekt beginnen zu können.

Sich von schwierigen Bedingungen nicht unterkriegen zu lassen, dafür steht auch das bundesweite Schultheaterfestival, das im September erstmals digital "über die Bühne" gehen wird.
Der Blick auf die vielfältigen Herausforderungen, die immer häufiger -nicht nur in der Pandemie- keine Grenzen kennen, zeigt:
Nur, wenn wir mit unserer Schwesterstadt Neu-Ulm und den benachbarten Landkreisen zusammenarbeiten, werden wir als Region erfolgreich sein. Sozusagen ein "Kind" dieser Regionalpartnerschaft ist der Zweckverband Thermische Abfallverwertung Donautal TAD, den es seit 30 Jahren gibt. Gratulation!
1971, vor 50 Jahren, schlossen Ulm und Neu-Ulm einen Städtevertrag und haben damit die Grundlagen gelegt für eine heute sehr intensive, vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Unser gemeinsames Donaubad ist modellhaft im hocheffizienten Energie- und Wärmemanagement. Der Wohnmobilstellplatz am Donaubad ist ein voller Erfolg und die Eislaufanlage kann dank eines neuen Bodens nun auch im Sommer energiesparsam als Inlinerhalle genutzt werden. (Anläuten)
Unsere gemeinsame UNT wird zusammen mit der Tourismuswirtschaft alle Anstrengungen unternehmen, die existenzbedrohenden Ausfälle durch die Pandemie wieder aufzuholen.
Zuversichtlich macht uns, dass unsere "Zweilandstadt" zusammen mit den Verbänden beider Länder die Vorauswahl für das Deutsche Musikfest 2025 für sich entschieden hat. Drücken wir die Daumen fürs Finale!
Stellvertretend für alle kommunalen Partner ein herzliches Dankeschön an Frau Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger und die Landräte Heiner Scheffold und Thorsten Freudenberger.

Die Schwörfeier war im Mittelalter das Zeugnis reichsstädtischer Freiheit, politischer Unabhängigkeit und bürgerschaftlicher Selbstregierung.
Um diese Ziele zu bekräftigen, legten der Bürgermeister, der Rat und die Bürgerschaft einen öffentlichen Eid auf den „Schwörbrief“ ab, auf die Stadtverfassung also.
Heute ist der Schwörmontag eine Manifestation zivilgesellschaftlichen Bewusstseins und Ausdruck kommunaler Demokratie.
Dies sind unsere tiefen und starken Wurzeln.
Durch sie fest verankert, müssen wir uns öffnen für den Wandel, für innovative Vermittlungsformate, für eine Kombination von analogen und digitalen Elementen, für die Einbindung und Beteiligung junger Leute.
Denn was am Ende zählt, ist, dass unsere demokratische Tradition lebendig für ALLE bleibt. Bürgermeister und Bürger legten seit 1345 den Eid auf den Schwörbrief ab und wurden dadurch zu einer verschworenen Gemeinschaft. Heute bleibt der Schwur dem Oberbürgermeister vorbehalten. Und doch bindet er uns als Gemeinschaft zusammen. (Ich darf Sie bitten, sich zu erheben.)

Zum Klang der mittelalterlichen Schwörglocke vom Münster schwöre ich mit denselben Worten wie mein Vorgänger im Jahre 1345:

Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein in den gleichen, gemeinsamen und redlichen Dingen ohne allen Vorbehalt.