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Interview mit Marina Moll, Mitarbeiterin der Stadt Ulm

Das Gebäude der Ulmer Bürgerdienste in der Olgastraße

In unserer Serie "Erzähl doch mal..." berichten Ulmerinnen und Ulmer von ihren Erlebnissen und Erfahrungen während der Corona-Pandemie. Für die erste Folge haben wir Marina Moll getroffen. Eigentlich ist sie bei der Stadt Ulm im Gebiet "Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation" tätig. Aktuell hilft sie jedoch bei den Bürgerdiensten in der Corona-Sachbearbeitung aus.

Wie sind die Reaktionen der Menschen, wenn Sie sie aus der Quarantäne entlassen?
"Die Reaktionen sind unter­ schiedlich, meistens nicht wirklich wertschätzend. Es gibt sehr viel zu tun, manchmal kommen wir mit der Arbeit nicht mehr hinterher. Eigentlich benötigen wir noch mehr personelle Unterstützung. Täglich versuchen wir, unser Bestes zu geben und so viele Anrufe wie möglich zu tätigen. Wir arbeiten auch in Schichtdiensten sowie am Wochenende und versuchen wirklich, jedem gerecht zu werden. Eine Situation hat mich sehr wütend gemacht, denn ich habe eine Frau, die eigentlich an einem Samstag aus der Quarantäne entlassen worden wäre, aufgrund
technischer Übertragungsfehler zwischen dem Gesundheitsamt und der Stadt zwei Tage später als geplant angerufen. Dann wurde ich von ihr beschimpft, dass wir sowieso nur Beamte seien, die von montags bis freitags zu festen Uhrzeiten arbeiten. Das verletzt mich sehr, denn so arbeiten wir eben nicht."

Was erfahren Sie von positiv getesteten Menschen, wenn Sie mit ihnen sprechen?
"Nachdem die Ärzte mit den positivgetesteten Personen gesprochen haben, um sie aus der Quarantäne zu entlassen, spreche ich mit ihnen über die rechtliche Beendigung der Quarantäne. In einem Gespräch erzählte mir eine Patientin, dass sie zu Beginn der Krankheit das Virus komplett unterschätzt habe. Innerhalb kürzester Zeit hat sich aber ihr Gesundheitszustand so verschlechtert und obwohl sie nicht zur Risikogruppe gehört, musste sie auf die Intensivstation. Das erzählen ehemalige Patienten auch bewusst im Freundes- und Bekanntenkreis, um für dieses Thema zu sensibilisieren."

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie von solchen Erfahrungen hören?

"Ich frage mich oft, warum manche Menschen aus persönlichen Befindlichkeiten die Maske verweigern. Die Maskenverweigerer denken, es betrifft sie sowieso nicht, oder sie haben schlichtweg keine Lust, mit einer Maske rumzulaufen, weil das ja so cool ist. Was ist so schlimm daran, einfach eine Maske für einen Moment zu tragen? Sie kann verhindern, dass ich beispielsweise eine ältere Frau anstecke. Möchte ich verantworten, dass diese ältere Frau vielleicht wegen mir später um ihr Leben kämpfen muss und möglicherweise sogar stirbt? Es ist doch so einfach, den eigenen Egoismus nach hinten zu stellen, um niemanden lebensgefährlich zu gefährden."

Was hat sie während der Pandemie besonders berührt?
"Ich habe bereits im Frühjahr im Gesundheitsamt ausgeholfen und war für die Alten- und Pflegeheime zuständig. Gerade ältere Menschen benötigen ihre Kontakte zur Familie, zu Kindern und Enkelkindern. Während der Pandemie ist das besonders heftig für sie, ihre Lieben nicht zu sehen. Wenn dann auch noch ein Ausbruch dort stattfindet, ist das besonders schlimm. Die Menschen dort gehören alle zur Risikogruppe und bei einem Ausbruch sterben sehr viele. Das ist unheimlich tragisch. Die Situation im Alten­ und Pflegeheim finde ich besonders traurig."

Was ist das Positive, das Sie aus der Pandemie ziehen?
"Aktuell kann ich sagen, dass wir in Deutschland in einem sehr guten Rechtsstaat leben. Wir haben die Situation noch gut im Griff, auch die Maßnahmen, die wir haben, sind wertvoll und gut. Wir haben ein gutes System und dadurch lässt sich die Situation gerade noch gut bewältigen. Uns geht es im Vergleich zu anderen Ländern gut, denn wir haben keine Leichenzüge, die durch die Straßen fahren und ich hoffe, dass wir nie in eine solche Situation geraten."

Das Interview wurde im November 2020 geführt.