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Interview mit Karin Krings, Hotelbetreiberin

Ein Mann und eine Frau im Portraitbild

© privat

In unserer Serie "Erzähl doch mal..." berichten Ulmerinnen und Ulmer von ihren Erlebnissen und Erfahrungen während der Corona-Pandemie. Für Folge 7 haben wir Karin Krings getroffen, Betreiberin des Hotels "Goldenes Rad". Sie erzählt uns, welche wirtschaftlichen, aber auch psychischen Auswirkungen die Pandemie auf das Hotel- und Gaststättengewerbe hat.

 

Frau Krings, wie geht es Ihnen aktuell?

"Gesundheitlich geht es mir gut. Bisher bin ich vom Virus verschont geblieben. Wir achten auf uns und unsere Mitarbeiter. Geschäftlich geht es mir nicht gut. Seit einem Jahr befinden wir uns in der Pandemie - der erste Lockdown war entsetzlich und dieser wird seit einigen Monaten fortgeführt. Normalerweise bin ich ein sehr zuversichtlicher Mensch, aber in letzter Zeit schwankt das und ich merke an mir selbst, dass meine Laune nicht mehr gut ist."

Wie gehen Sie mit dem aktuellen Lockdown um?

"Ich denke, es ist für uns und für das Haus nicht gut, wenn niemand da ist. Daher sind wir seitdem täglich vor Ort, da wir auch sogenannte "Notfälle" annehmen, wie z. B. Dauermieter oder auch Gäste, die aus medizinischen Gründen (beispielsweise, wenn Patienten von außerhalb hier OP-Termine haben) bei uns untergebracht sind. Wir haben zwar insgesamt deutlich unser Geschäft heruntergefahren, auch die Mitarbeiter*innen sind in Kurzarbeit, dennoch sind wir da. Das Ganze nagt an uns seit einem Jahr, wir wollen Gäste und normal arbeiten, aber neue Verordnungen bringen wiederum Veränderungen und weitere Stornos ein - das frustriert uns sehr."

Wie erheblich ist Ihr finanzieller Verlust durch die Pandemie?

"Wir haben einen Verlust unseres Umsatzes im vergangenen Jahr von 50 % und befürchten, dass das in diesem Jahr noch erheblich schlimmer wird. Vor der Pandemie hatten wir die besten Zeiten zu Messeterminen, bei denen vor allem viele Firmen aus der Industrie unsere Gäste waren, und natürlich zur Weihnachtszeit."

Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter*innen?

"Je länger der Lockdown andauert, desto schwieriger wird es, die Leute "bei der Stange" zu halten. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe mit unseren Mitarbeiter*innen, die wöchentlich an 2-3 Tagen für wenige Stunden zu uns kommen. Uns ist die Beziehung zu ihnen sehr wichtig, wir möchten mit ihnen gemeinsam diese Zeit durchstehen. Nicht jede*r ist täglich gut gelaunt, das variiert und ist normal."

Wie geht es Ihrem Team?

" Es gibt gute und schlechte Tage. Oftmals ist uns langweilig, weil wir nicht ausgelastet sind. Aber wir versuchen uns zu beschäftigen. Es ist wichtig, dass unsere Mitarbeiter*innen die Abläufe und Prozesse nach wie vor beherrschen und nicht vergessen."

Wie geben Sie in dieser schwierigen Zeit Ihren Mitarbeitern ein Sicherheitsgefühl?

"Wir schauen bewusst auf unsere Azubis, dass sie ihre Praxisaufgaben erledigen und idealerweise keine Nachteile während ihrer Ausbildung erfahren. Außerdem bieten wir unseren Mitarbeiter*innen kostenlose Tests an, die regelmäßig in Anspruch genommen werden. So geben wir nicht nur untereinander im Team die Sicherheit, sondern auch unseren Gästen gegenüber. Zu Beginn hatten die Mitarbeiter*innen Angst vor einem positiven Ergebnis, aber das hat sich mittlerweile gelegt."

Sie müssen seit Monaten schließen und haben erhebliche wirtschaftliche Verluste hinnehmen müssen. Jetzt treffen sich Poser und Tuner und feiern auf Parkplätzen ohne Abstand und Maske Party, als wenn nichts wäre. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie davon hören?

"Ich werde dann richtig sauer auf solche Menschen. Ich finde es sehr schade, dass sich nicht alle am Riemen reißen. Wir haben alle genug von Corona und den Maßnahmen, aber wir müssen das Beste daraus machen und als Gesellschaft zusammenhalten."

Welches Erlebnis war für Sie im vergangenen Jahr unvergesslich?

"Es war vieles schlimm und chaotisch. Wir hatten in der Familie Todesfälle, die mich sehr geprägt haben. Ich hoffe sehr, wir überstehen alle diese schwierige Zeit. Das wird beruflich schwierig, aber gemeinsam stehen wir das durch."

Wie blicken Sie auf dieses Jahr?

"Ich hoffe sehr, dass wir nicht viele Betriebe verlieren, bei denen sich keine Perspektive mehr abzeichnet. Leider werden es einige nicht schaffen und aufhören. Zudem befürchte ich, dass wir gute Arbeitskräfte in der Branche verlieren werden, weil es aktuell nicht gut aussieht. Unsere Gäste sind unsere beste Unterstützung und haben jedes Hygienekonzept mitgemacht."

Wie schalten Sie ab?

"Was mir wirklich auch aktuell gelingt: Ich kann vom Kopf komplett abschalten, sobald ich meine Arbeitsstelle verlasse. Ich beschäftige mich mit meinen Hunden und bin jeden Tag draußen. Außerdem betreibe ich Reitsport und bin in der Natur mit den Tieren. Diese müssen gepflegt und gefordert werden. Mit den Tieren bin ich super beschäftigt und denke auch nicht viel nach. Außerdem habe ich eine große, intakte Familie - das stärkt mich sehr."

Wie geht es Ihnen, wenn weitere Ministerkonferenzen stattfinden und es neue Regelungen geben soll?

"Zu Beginn der Pandemie habe ich die Konferenzen immer mit großer Spannung erwartet und hatte auch große Hoffnung, dass sich für uns etwas tut. Aber mittlerweile weiß ich, dass wir für Änderungen bzgl. Öffnungen nicht an erster Stelle stehen. Mittlerweile habe ich den Eindruck, es kommt nichts Sinnvolles mehr raus, denn die Regierung weiß aktuell selbst nicht, wie sie handeln soll. Es ist schwierig einheitliche Lösungen zu finden, bei unterschiedlichen Bundesländern mit unterschiedlichen Inzidenzwerten. Wir sind ein Land und müssen schauen, dass wir das hinbekommen. Wichtig ist, dass das Impfen im Fokus steht."

Wenn Sie in den Nachrichten sehen, dass Mallorca kein Risikogebiet mehr ist und die Deutschen ihre Reisen dorthin buchen, was denken Sie in solchen Momenten?

"Ich kann es nicht verstehen, warum es auf Mallorca sicherer sein soll als in den deutschen Hotels mit einem guten Hygienekonzept. Unsere Gäste haben sich im vergangenen Jahr bei uns wohlgefühlt, es war alles durchdacht und hat gut funktioniert. Ich konnte das einfach nicht nachvollziehen. Während auf Mallorca Urlaub gemacht werden darf, müssen wir hier alle zwei Tage im gesamten Haus das Wasser laufen lassen, damit wir kein braunes Wasser haben. Schließlich müssen wir alles "in Schuss" halten."

Was wünschen Sie sich?

"Ich möchte so gerne wieder ganz normal arbeiten, den Dienstplan wie gewohnt ausführen und keine Hilfe mehr in Anspruch nehmen müssen."

Wenn Sie auf das vergangene Jahr zurückblicken, können Sie auch etwas Positives aus der Pandemie gewinnen?

"Ich denke, wir sind als Stadtgesellschaft näher zusammengerückt. Ich habe das Gefühl, dass wir zusammen alles besser machen und Probleme lösen können. In so einer Zeit, wie wir sie aktuell erleben, besinnt man sich noch mal auf das wirklich Wichtige. Wir neigen dazu, dass wir immer zu mehr streben, es muss - gerade beim Materiellen - alles größer und noch besser sein. Jetzt besinnen wir uns auf das, was wirklich wichtig ist und das tut uns gut. Das Virus hat uns zum Umdenken gebracht."

Vielen Dank für das Interview, Frau Krings!

Das Interview wurde im April 2021 geführt.