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Mahnmal erinnert an den französischen Zwangsarbeiter Joseph Weiss

Eine Gruppe von Vertretern aus Politik, Verwaltung und Schule steht am Mahnmal. Im Hintergrund sind die Flaggen von Frankreich, Deutschland und der Europäischen Union gehisst.

Das Mahnmal wurde im Beisein von Bürgermeisterin Iris Mann und Gaël de Maisonneuve, Generalkonsul von Frankreich, eingeweiht.

Weil er ein Paar Stiefel an sich genommen hatte, wurde er wegen „Plünderung“ denunziert und hingerichtet: Das Schicksal von Joseph Weiss verdeutlicht die Absurdität, Unverhältnismäßigkeit und Unmenschlichkeit, wie sie im Nationalsozialismus in Deutschland Normalität waren. Joseph Weiss war ein französischer Zwangsarbeiter in Ulm. In seiner Heimat hinterließ er eine junge Ehefrau und zwei kleine Kinder. Sein Leichnam wurde zur Abschreckung am Standort des heutigen Humboldt-Gymnasiums aufgehängt. Seit 12. April 2025 erinnert an der Keplerstraße/ Ecke Schaffnerstraße ein Mahnmal an sein Schicksal. Es ist von Schülerinnen und Schülern entworfen worden.

Das Mahnmal besteht aus einem Blatt und zwei Schuhen sowie der Aufschrift: "Damit kein Gras drüber wächst - Zur Erinnerung an Joseph Weiss, gestorben 19. April 1945".

Das Mahnmal zeigt ein Paar Stiefel und ein Ahornblatt.

Joseph Weiss musste für die Reichsbahn am Güterbahnhof bei Söflingen Zwangsarbeit leisten. Nach dem Luftangriff vom 16. April 1945 auf den Güterbahnhof suchte er – zusammen mit vielen Ulmerinnen und Ulmern – in den Waggons nach Brauchbarem und nahm ein Paar Filzstiefel an sich. Dabei wurde er von zwei NS-ideologisierten jugendlichen Ulmern beobachtet, die ihn bei der Polizei denunzierten. Es formierte sich ein Standgericht, das Weiss am 19. April 1945 – somit gerade fünf Tage vor dem Einmarsch der US-Armee – zur Statuierung eines Exempels hinrichten ließ. Sein Leichnam wurde zur Abschreckung an einem Ahornbaum auf dem damaligen Charlottenplatz, dem Standort des heutigen Humboldt-Gymnasiums, aufgehängt.

Das Schicksal von Joseph Weiss erinnert daran, wie autoritäres, nationalistisches und rassistisches Denken in einen Unrechtsstaat mündete, in dem nicht mehr der Mensch und seine Selbstentfaltung im Zentrum des staatlichen Handelns stand, sondern die Unterwerfung von Menschen unter einen autoritären Machtapparat.

Die Stadt Ulm engagiert sich seit vielen Jahrzehnten für die kritische Aufarbeitung des Nationalsozialismus und der Förderung der Gedenkkultur bezüglich der Verbrechen während der NS-Herrschaft. Das Mahnmal für Joseph Weiss reiht sich in dieses langjährige Engagement ein. Es ist das Ergebnis eines Wettbewerbs an den beiden Gymnasien Kepler und Humboldt. Dort wurde das Schicksal von Joseph Weiss in mehreren Workshops mit den Schülerinnen und Schülern aufgearbeitet. Die Leitung hatte dabei die Abteilung Bildung und Sport der Stadt Ulm. Weitere Mitwirkende waren das Haus der Stadtgeschichte, die Kulturabteilung, das Gebäudemanagement sowie natürlich die Schulleitungen, Lehrkräfte und Schülervertreter*innen. Die Elternbeiräte waren ebenso eingebunden. Rund zwei Jahre lang setzten sich die Schülerinnen und Schüler mit dem Thema auseinander, diskutierten unterschiedliche Ansätze und ließen von den beiden Fachschaften „Kunst“ Vorschläge erarbeiten.