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Für alle, die ihn wollen: der "Schwer-In-Ordnung"-Ausweis

Ein Ausweis wird in die Kamera gehalten

"Schwerbehindert" - so lautet die amtliche Bezeichnung für Menschen mit Behinderungen. Das behördliche Dokument heißt entsprechend: "Schwerbehindertenausweis". Wer mit diesem Begriff nicht einverstanden ist und sich damit nicht identifizieren will, der kann sich ab 5. Mai bei der Stadt Ulm kostenlos eine Ausweishülle besorgen, mit der sich der Schwerbehindertenausweis im Handumdrehen in einen "Schwer-In-Ordnung-Ausweis" verwandelt.

"Die Idee stammt von einer Schülerin mit Down-Syndrom aus Norddeutschland, die sich durch die amtliche Bezeichnung diskriminiert fühlte", erklärt der Inklusionsbeauftragte der Stadt Ulm, Oliver Arnold. Er könne die Schülerin gut verstehen, er sei selbst wiederholt vor allem von jüngeren Menschen mit Behinderung auf die Bezeichnung "Schwerbehindertenausweis" angesprochen worden. "Es gab auch mal einen Vorstoß, den Ausweis in "Teilhabeausweis" umzubenennen, der aber bislang keine parlamentarische Mehrheit fand", so Arnold. Daher findet er es gut, mit den Betroffenen diese kreative Lösung umzusetzen: "Ich nenne mich ja auch Inklusionsbeauftragter, obwohl ich offiziell Behindertenbeauftragter heißen müsste", meint Arnold lächelnd.

Die Ausweishüllen wurden in einer Werkstatt für behinderte Menschen in der Region angefertigt und können ab dem 5. Mai in den Erstanlaufstellen Böfingen, Eselsberg, Wiblingen, Weststadt/Söflingen und Mitte/Ost gegen Vorlage des Schwerbehindertenausweises kostenlos mitgenommen werden. Die Gültigkeit des Schwerbehindertenausweises wird dadurch nicht eingeschränkt, betont Arnold: "allenfalls könnte es sein, dass man den Ausweis zu Prüfzwecken mal aus der Hülle nehmen muss". Er teste die Ausweishülle seit einigen Wochen selbst. "Bislang wurde das überall akzeptiert".

• Warum startet die Ausgabe am 5. Mai? "Der fünfte Mai ist der europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen - das Datum finde ich deswegen sehr passend, weil wir mit der Aktion die Sprache ein Stück entdiskriminieren und Menschen mit Behinderung als das bezeichnen, was sie sind - eben schwer in Ordnung" meint Arnold.

• Wie viele Hüllen gibt die Stadt Ulm aus? "In Ulm leben rund 10.000 Menschen mit einer amtlich erfassten Behinderung. Als wir im Jahr 2018 letztmals alle diese Menschen im Rahmen des kommunalen Aktionsplans 'ulm inklusiv' schriftlich befragt hatten, hatten wir einen Rücklauf von rund 20 Prozent. Dem entsprechend habe ich 2.000 Exemplare anfertigen lassen. Sollte die Nachfrage größer sein, werden wir nachbestellen", so Arnold.

• Wer hat die Hüllen angefertigt? "Mittlerweile gibt es bundesweite Anbieter, aber ich hielt es für besser, den Auftrag vor Ort an eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen zu vergeben", meint Arnold. Produziert wurde letztendlich von der Lebenshilfe Donau-Iller.

• Wer übernimmt die Kosten? Die Produktionskosten werden aus dem Budget des Inklusionsbeauftragten bestritten. In anderen Bundesländern, zum Beispiel Niedersachsen und Schleswig-Holstein geben die Landesämter für Versorgung diese Ausweise kostenlos aus, "in Baden-Württemberg leider nicht" bedauert Arnold..


• Hintergründe zum SIO-Ausweis: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwer-in-Ordnung-Ausweis

• Hintergründe zum SIO-Ausweis in leichter Sprache: https://www.lebenshilfe-viersen.de/de/aktuelles/meldungen/2021-05-28-Schwer-in-Ordnung-Ausweis-LH-Rat.php

• die Erfinderin des SIO-Ausweises: https://www.rnd.de/panorama/schwer-in-ordnung-ausweis-schulerin-mit-down-syndrom-erhalt-bundesverdienstkreuz-F6LATPSFI5M5N3GMWSEL6M47CM.html

• parlamentarische Ablehnung eines "Teilhabeausweises": https://www.bundestag.de/webarchiv/presse/hib/2018_06/562080-562080